Die Zukunft ist flächendeckend grün!

Beispiel für einen Schottergarten
Ein Schottergarten ist ein „Garten des Grauens“ (Foto: © Anke Leins)

Es ist ein gruseliger Trend, der sich schon seit einer Weile in vielen Vorgärten breit macht. Der Boden wird mit einem Plastikvlies abgedeckt und mit einer Schicht aus Kies oder Schotter bedeckt. Diese Steinwüsten, mal weiß, mal grau, mal schwarz bekiest, werden nur gelegentlich noch durch einzelne Gräser oder andere isoliert stehende Pflanzen „aufgelockert“. Seit Anfang 2019 postet der Botaniker und Biologe Ulf Soltau auf seinem Blog „Gärten des Grauens“ fast täglich Bilder zur Kiesgartenkultur in Deutschland. Es ist ein Phänomen, dass schon vom Ansatz her so absurd ist, dass es mich gleichzeitig zum Lachen und zum Weinen bringt. Für diesen Beitrag habe ich mich auf kurze Fotosafari in meiner Gemeinde begeben und musste natürlich nicht lange suchen um ein Beispiel für so einen „Nicht-Garten“ zu finden.

Der Trend entspringt wohl der Idee einen besonders pflegeleichten „Garten“ haben zu wollen und passt ziemlich gut zur aktuellen Lieblingsfarbe der Deutschen: Grau. Grau gestrichene Häuser, Wohnzimmerwände, Autos in verkehrsgrau, Haustüren in anthrazitgrau…oder wie bei meinem Nachbarn: Ganz raffinierte graue Streifen auf der Hauswand…zusätzlich zur grau aufgemalten Hausnummer. Grau wird wahrscheinlich irgendwann auch das Gemüt dieser Grauliebhaber wenn ihnen dämmert welche Konsequenzen ihr Nichtgärtnern mit sich bringt. Mit einem Garten hat das alles natürlich nichts mehr zu tun, mit einem Zukunftsgarten schon gar nicht, es wäre eigentlich sehr viel ehrlicher die Fläche gleich zu betonieren, grau zu streichen und das Wort Garten gleich mit.

Grau ist die neue Lieblingsfarbe der Deutschen
Grau: Zur Zeit anscheinend die Lieblingsfarbe der Deutschen (Foto: © Anke Leins)

Aber Zynismus hilft hier nicht wirklich weiter und ein abschreckendes Foto zu dem Thema reicht hier deshalb auch vollkommen aus um zu zeigen wie absurd der Ansatz ist.

Ein solches Vorgehen ist nicht nur das komplette Gegenteil eines Zukunftsgartens, sondern  pflegeleicht ist es übrigens auch nicht. Die Rückeroberung der Natur geht deutlich schneller als gedacht: Samen werden herangeweht, Löwenzahnwurzeln bohren sich ihren Bodenzugang auch durch Plastikvlies, die Steine werden von Moos bewachsen. Im Herbst sammeln sich nach und nach aus Blattresten und Co erste feine Spuren von Substrat in den Ritzen zwischen den Steinen, bald dankbar angenommen als Wuchsgrundlage für hartgesottene Unkräuter. Der Versuch eine einmal verunkrautete Schottergartenfläche wieder in den sterilen Anfangszustand zu versetzen, artet dann tatsächlich in sehr viel Arbeit aus.

Was ist an Schottergärten so schlimm? Ist ein Garten nicht in erster Linie Privatvergnügen?  Oder das Problem dieser Gartenbesitzer?  Nein, weil sich die Folgen nicht nur auf diesen keinen Schottergarten beschränken! Denn erstens beschleunigen Schottergärten das Artensterben, weil sie Lebensraum vernichten und zweitens sorgen sie dafür, dass die Aufheizung durch den Klimawandel lokal noch einmal deutlich verstärkt wird. Schotter oder Kiesflächen sind wahre Hitzeinseln, weil sich die Steine enorm aufheizen und diese Wärme dann lange abstrahlen! Wo privates Handeln negative Auswirkungen auf andere hat, kann es nicht mehr Privatsache bleiben und dann ist es richtig es zu reglementieren. Absolut richtig finde ich daher den Ansatz vieler Gemeinden, die Vernichtung von Gärten durch Zuschotterung zu verbieten und eine Bepflanzung vorzuschreiben, um den sonst zwangsläufig eintretenden Hitzekollaps vieler Neubauviertel zu verhindern. Eigentum verpflichtet! Auch dazu verantwortungsvoll mit dem eigenen Grund umzugehen!

Grün statt Schotter!

Was wir brauchen um unsere Gärten und Vorgärten pflegeleicht und klimafit zu gestalten, ist eine flächendeckende, abwechslungsreiche Begrünung und zwar ohne Plastikvlies! Ein solcher grüner Teppich gelingt sowohl mit Stauden als auch mit Sträuchern und ist an jedem Standort möglich. Dabei können unterschiedliche Pflanzen so kombiniert werden, dass immer ausreichend Nahrung für Insekten und andere Tiere vorhanden ist. Neben dem unschätzbaren Beitrag für den Erhalt unserer Artenvielfalt, erfüllt eine solche Bepflanzung gleich mehrere Ziele:

  • Kühlung der Umgebung
Klimaanlage

Pflanzen sind Miniklimaanlagen. Sie geben über die Spaltöffnungen ihrer Blätter Feuchtigkeit an die Umgebung ab und sorgen so für Kühlung. Schau zu diesem Thema auch einmal hier rein: Die Suche nach dem Zukunftsbaum.

Es braucht allerdings eine gewisse Blattmasse um diese Aufgabe erfüllen zu können. Ein kurzgeschorener Zierrasen schafft das nicht, bei einer Bepflanzung mit Sträuchern oder höheren Stauden ist der Kühleffekt aber beträchtlich.

  • Schutz des Bodens vor Aufheizung und Austrocknung

Ein dichter Bewuchs aus Pflanzen kühlt nicht nur die Umgebung, sondern reflektiert auch die Sonneneinstrahlung. Beides führt dazu, dass sich der Boden gar nicht erst so stark aufheizen kann. Die Bodenkühlung ist enorm wichtig, um das Ökosystem des Bodens zu schützen. Millionen Kleinstlebewesen im Boden sorgen dafür, dass abgestorbene Tier- und Pflanzenreste zersetzt werden. Nur durch die Arbeit der Bodenlebewesen entsteht Humus, und somit ein fruchtbarer Boden, in dem Pflanzen dauerhaft wachsen können. Wird ein Boden durch ein Plastikvlies von Stoffeinträgen abgekoppelt und zusätzlich durch fehlende Beschattung aufgeheizt, kollabiert das Bodenökosystem. Schau dazu auch hier: Boden ohne Plastik. Eine Auflage durch Kies oder Schotter mag zwar den Boden beschatten, sie schützt ihn aber trotzdem nicht vor Überhitzung. Bodenlebewesen brauchen Nährstoffeintrag durch abgestorbene organische Substanz, Schutz vor Überhitzung und ausreichende Bodenfeuchtigkeit, um überleben zu können. Nur eine ausreichende Bepflanzung kann das gewährleisten. 

  • Schutz des Bodens vor Wind

Nicht nur die Sonneneinstahlung, sondern auch Wind trocknet den Boden stark aus und weht zusätzlich, wenn er nicht geschützt ist, wertvollen Oberboden weg (Degradation durch Wind). Auch dagegen kann nur eine Pflanzendecke helfen. Die einzige Ausnahme von dieser Regel ist allerdings ein Nutzgarten. Dort bleiben zwangsläufig unbepflanzte Zwischenräume erhalten, um die Gemüsepflanzen keiner Konkurrenz auszusetzen. Gerade im Gemüsegarten muss der Verlust fruchtbaren Bodens aber trotzdem unbedingt verhindert werden. Hier liegt die Lösung im konsequenten Mulchen mit geeigneten Materialien, die das Wachstum der Gemüsepflanzen nicht hemmen. Ungeeignet sind Materialien wie Rindenmulch (höchstens unter Himbeeren, die mögen das sehr gerne), perfekt geeignet als Sommermulch ist dagegen Schafswolle oder trockener (!) Grasschnitt. Über die kluge Verwendung von Mulch im Nutzgarten gibt es beizeiten einen eigenen Beitrag mit der Expertise meiner großen Schwester, die zu dem Thema über viel mehr Praxiserfahrung verfügt als ich

  • Schutz des Bodens vor Auswaschung
Brachliegender Boden bei einer nicht ausreichend bepflanzten öffentlichen Grünfläche
Brachliegender Boden bei einer nicht ausreichend bepflanzten öffentlichen Grünfläche (Foto: © Anke Leins)

Liegt Boden brach, kommt es bei Regengüssen zu Auswaschung fruchtbarer Bodenbestandteile (Degradation durch Wasser). Besonders bei Starkregenereignissen ist der Bodenverlust durch Abschwemmung verheerend. Ein flächendeckender Bewuchs schützt den Boden aber nicht nur vor Abschwemmung, sondern sorgt auch dafür dass das Wasser in den Boden einsickern kann anstatt oberirdisch abzufließen. Durchwurzelte, fruchtbare Böden sind lockerer und können das Wasser außerdem länger speichern.

Natur kennt keine Leerstellen

Lücke
Quelle: Pixabay

In den meisten Gärten sehe ich eine Bepflanzung aus einzelnen Sträuchern oder Stauden mit viel Platz dazwischen oder darunter. In der Regel wird der Versuch unternommen, den Boden durch eine Auflage aus Rindenmulch oder Kies zu schützen. Vermutlich haben die Gartenbesitzer aber auch dabei weniger den Schutz des Bodens als Vielmehr den Schutz vor aufkeimendem Unkraut und daher ihre eigene Arbeitsentlastung im Sinn. Bei Staudenbeeten wird sogar oft einfach der Platz zwischen den Stauden freigejätet, so dass der Boden hier brach liegt. Sowohl das Mulchen unter Hecken und Bäumen als auch das Freijäten in Staudenbeeten ist wenig sinnvoll, da es eine Gestaltung „gegen die Natur ist“. In der Natur gibt es keine Leerstellen. Jeder freie Platz wird sinnvoll genutzt. Für jeden Standort, auch für trockenen Schatten unter Sträuchern und Bäumen, gibt es Pflanzen, die an die dort herrschenden Bedingungen angepasst sind. Deshalb werden in der Natur alle Leerstellen schnell passend besetzt. Wenn du Staudenflächen mit zweijährigen Wildpflanzen wie beispielsweise Königskerzen bepflanzt, kannst du das gut beobachten:  Zweijährige Pflanzen bilden im ersten Jahr eine Blattrosette, blühen im zweiten Jahr und dann sterben sie ab. Der Platz, der durch die abgestorbene Mutterpflanze frei wird, wird aber sofort wieder durch die Saat der Wildpflanzen genutzt. Solche Staudenflächen sehen dann jedes Jahr ein bisschen anders aus, aber nie bleiben über längere Zeit Leerstellen bestehen. 

Bei einer flächendeckenden Bepflanzung geht es also darum, mit der Natur zusammenzuarbeiten, die Natur nachzuahmen und jeden verfügbaren Platz mit Pflanzen zu gestalten. Der Boden unter höheren Hecken und Sträuchern kann durch verschiedene Stauden begrünt werden. Bereiche mit kleineren Sträuchern kann man so dicht bepflanzen, dass die Pflanzen ineinander übergehen und eine kühlende Decke für den Boden bilden. 

Natur versucht immer den Zustand einer flächendeckenden Bepflanzung herzustellen.  Werden künstlich Lücken zwischen Stauden und Sträuchern freigehalten, versucht sie diese mit Löwenzahn und Co zu schließen. Diese zu jäten, macht dann Arbeit. Und das macht vielen Gärtnern keinen Spaß. Sich die Arbeit aber dadurch zu sparen, dass man einen Teil des Gartens in eine Schotterfläche umwandelt ist genau deshalb so absurd, weil eine Schotterfläche dann nichts anderes als ein Extrembeispiel einer künstlichen Leerstelle ist. Auch diese wird die Natur versuchen zurückzuerobern. Zusätzlich zu allen negativen Effekten einer Schotterfläche auf die Artenvielfalt und das Kleinklima, erfüllt sie also noch nicht einmal den Wunsch nach Arbeitsersparnis, der die Menschen bewogen hat sie anzulegen. Zeit also mit diesem Wahnsinn aufzuhören und Gärten so zu bepflanzen wie es die Natur machen würde: Ohne Leerstellen! 

Beispiele aus meinem Zukunftsgarten

Mein Garten bietet zahlreiche Beispiele für eine flächendeckende Bepflanzung. In den Randbereichen finden sich naturnahe Hecken aus verschiedenen Sträuchern, mit dichtem Unterwuchs aus einer Fülle an Stauden. Vor diesen Hecken gibt es Staudensäume. Im Streuobstbereich wächst eine mehrjährige Blühwiese, die nur noch einmal im Jahr gemäht wird. Die besonders einstrahlungsexponierten Bereiche meines Gartens, die vollsonnigen Steilhangzogen, sind zur Kühlung des Bodens überwiegend flächendeckend mit verschiedenen, hitzetauglichen Sträuchern, Wildrosen und Halbsträuchern bepflanzt.  Das Resultat ist ein üppiger, kühlender Pflanzenbewuchs.

So kann eine flächendeckende Bepflanzung in einem Steilhang aussehen (Fotos: © Anke Leins):

Der Pflegeaufwand all dieser Bereiche ist minimal. In der Regel reicht ein Rückschnitt gegen Ende des Winters vollkommen aus. Während der Pflegeaufwand minimiert ist, ist die Vielfalt an verschiedenen Sträuchern und Stauden und die schiere Menge an Pflanzen enorm.

Natürlich existieren in meinem Zukunftsgarten zur Förderung der Artenvielfalt auch Trockenmauern, Steinhaufen, und mit Schotter abgemagerte Beete, also Bereiche, die sich deutlich stärker aufheizen als die dicht bewachsenen Flächen. Aber als Ausgleich dazu sind große Bereiche des Hanges bewusst nicht durch Mauern terrassiert, sondern als bepflanzte Böschungen gehalten, damit soviel kühlende Wirkung durch Pflanzen erzielt wird wie möglich. 

Fazit:

Nur durch einen abwechslungsreichen, flächendeckenden Mix verschiedener Begrünungsmaßnahmen lassen sich die zukünftigen Hitzephasen und Extremwetterereignisse im Garten abpuffern. Ein Zukunftsgarten lebt also nach dem Motto: Mut gegen die Lücke!

1 Kommentar

  1. Wieder ein sehr informativer Beitrag von Dir; mit dem grauen Augenzwickern, einfach köstlich.
    Wenn ich mir die Fotos der Steilhang-bepflanzung größer anschauen könnte, z.Bsp. durch Doppelklick, wäre er noch informativer für mich, für den Leser.
    GlG

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