Wir tun was für Bienen? Unbedingt! Aber bitte nicht für Honigbienen…

Honigbienen sind vielerorts zu einem gravierenden Problem für unsere heimischen Wildbienen geworden. Mangelnde Reflexion auf Seiten der Imker und Imkerinnen und ein Missverständnis innerhalb der breiten Bevölkerung verschärfen die Problematik zusätzlich. Honigbienen sind Nutztiere, die, in Massen an einem Ort gehalten, mit unseren Wildbienen um Nahrung und Lebensraum konkurrieren. Dabei sind es gerade die Wildbienen, die jeden erdenklichen Schutz benötigen. Doch nun der Reihe nach und zunächst einmal warum ich das dringende Bedürfnis hatte diesen Artikel zu schreiben:

Zurzeit gibt es beim hessischen Radiosender FFH die Aktion „Eine Million Bienen für Hessen, hol dir einen FFH- Bienenstock“. Ich wurde darauf aufmerksam, weil eine Bekannte meinte, das sei doch etwas für meinen Garten, der wäre doch so bienenfreundlich. Ich war entsetzt! Warum ich definitiv keine Honigbienen in meinem Zukunftsgarten gebrauchen kann, dazu komme ich gleich. Zunächst einmal: Was steckt hinter dieser Aktion? Man kann sich, als Firma, Schule, Verein, Kindergarten, Seniorenheim oder auch als privater Gartenbesitzer um einen Bienenstock bewerben und sollte man dann von der Jury ausgewählt werden, bekommt man einen Bienenstock auf das Firmen, Schul- oder Privatgelände gestellt, der dann in der Pflege von Imkern betreut wird. Imkerkenntnisse sind also nicht erforderlich. FFH begründet die Aktion damit, dass Bienen ungeheuer wichtig für das Ökosystem seien, da 80 % der Blütenpflanzen auf ihre Bestäubung angewiesen sind. Seit 1950 habe sich die Bienenpolulation weltweit um mehr als die Hälfte reduziert, weswegen es wichtig sei, den Bienen zu helfen. Ziel der Aktion sei es also gemeinsam die Bienen zu schützen! „Für die Umwelt und die Zukunft unserer Kinder“ (1).

Bienenstöcke
Können Bienenstöcke einen Beitrag gegen das Bienensterben leisten? Wohl kaum! (Quelle Pixabay)

Als ich das gelesen habe war ich erst einmal fassungslos, bestürzt und anschließend ziemlich wütend. Und das musste erst einmal abklingen, bevor ich diese Zeilen schreibe. Mit Wut im Bauch schreibt es sich nicht gut, denn eine Wutrede will keiner lesen. Was es braucht ist Sachlichkeit und gute Argumente! So. Jetzt starte ich einen Versuch in Sachen Aufklärung. Was also ist denn grundsätzlich falsch an dieser Aktion? Nun, es liegt am Fokus auf die Honigbiene, denn die hat nicht besonders viel mit dem Wildbienen bzw. allgemeinen Insektensterben zu tun. Um das zu erklären muss ich etwas ausholen und ein paar Daten und Fakten zusammensammeln:

Das Insektensterben betrifft alle Insektenarten!

Unbestritten geht es Wild-(!) Bienen nicht gut…aber das betrifft nicht nur sie, sondern unsere Insekten insgesamt! Wie sehen die Fakten aus? Von 1989 bis 2016 sammelten Insektenforscher in insgesamt 63 Gebieten in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Brandenburg Insekten in Fallen und bestimmten deren Masse. Die Fallen wurden innerhalb einer Saison in regelmäßigen Abständen geleert (2). Die Ergebnisse waren alarmierend. Gefühlt hatten viele Menschen bis dahin das Insektensterben schon wahrgenommen und sei es am „Windschutzscheibeneffekt“: Anders als vor 20 oder 30 Jahren kleben ja inzwischen nach einer längeren Autofahrt kaum noch Mücken und Fliegen auf der Scheibe. Was aber bis zu dieser Studie fehlte, war der wissenschaftliche Beweis, der mit der Präsentation der Ergebnisse nun seit 2017 vorliegt: Im Verlauf dieser nicht einmal dreißig Jahre sind Dreiviertel aller Fluginsekten verschwunden. Die Gesamtmasse der gezählten Insekten nahm um 76 Prozent ab. 41 Prozent der rund 560 Bienenarten in Deutschland sind in ihrem Bestand inzwischen gefährdet – das ist fast jede zweite Art (5). Aber nicht nur die Anzahl der Arten hat abgenommen, sondern auch die Anzahl er Tiere pro Art.

Beängstigend: Die Fallen wurden alle ausschließlich in Naturschutzgebieten aufgestellt. Dass sogar dort nur noch ein Viertel der Insekten erfassbar war, zeigte wie fortgeschritten das Insektensterben bereits ist und lieferte den Beweis, dass es sich nicht nur um ein lokales Phänomen handelt, sondern dass das Insektensterben tatsächlich ein flächendeckendes Problem ist(2). 


„Es ist absolut dramatisch: Wir haben ein globales Massen-Aussterben, mit einer solchen Geschwindigkeit, wie es seit der Zeit der Dinosaurier nicht mehr passiert ist.“ (Andreas Segerer von der Zoologischen Staatssammlung München) (5)

Was sind die Ursachen? 

Man kann es eigentlich relativ einfach auf den Punkt bringen: Fehlender Lebensraum, fehlende Nahrung und dazu noch Gift! (5) . Wer bitte schön konnte das überleben?

Und der Hauptschuldige ist auch ausgemacht:

„Die intensive Landwirtschaft ist hauptverantwortlich für den dramatischen Rückgang im Bestand von Bienen, Fliegen, Käfern, Schmetterlingen.“ (ehemalige Bundesumweltministerin Svenja Schulze) (5).

Agrarland macht die Hälfte der Fläche Deutschlands aus. Dazu kommen noch einmal 30 Prozent an Waldflächen. Siedlungen, Straßen und Industrie summieren sich gerade einmal auf ein Fünftel der Landesfläche (5), (10). 

Industrielle Landwirtschaft mit wenig Hecken und Blühstreifen
Industrielle Landwirtschaft bietet wenig Hecken oder Blühstreifen (Quelle Pixabay)

Und die Agrarwirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert, was folgende Auswirkungen mit sich gebracht hat:

  • Drastische Erhöhung des Gifteinsatzes:  Pestizide, Herbizide und andere Giftstoffe setzen Insekten massiv zu. Totalherbizide wie Glyphosat vernichten Ackerbeikräuter, die eine wichtige Nahrungs-, Nist- und Überwinterungsquelle für Insekten darstellen.  Daneben werden in der intensiven Landwirtschaft Insektizide wie beispielsweise Neonicotinoide eingesetzt, die wie Nervengift auf Insekten wirken und die Tiere töten oder ihre Orientierungsfähigkeit beeinträchtigen. Auch die Fortpflanzungsrate von Insekten wird durch den Kontakt mit Neonicotinoiden stark reduziert (4).
  • Vernichtung von Lebensräumen und Nahrungsgrundlage: Insekten – eine Gruppe mit über 33.000 einzelnen Arten in Deutschland – brauchen Biodiversität im Pflanzenreich. Unter Insekten gibt es viele Spezialisten, manche Arten sind auf sehr wenige Pflanzen spezialisiert. Doch auf unseren Äckern schwindet die Artenvielfalt, stattdessen nehmen riesige Monokulturen zu. Wovon sollen Insekten leben wenn beispielsweise der Raps verblüht ist? Ackerrandstreifen, Raine und wildwachsende Wegesränder, Feldhecken und Blumenwiesen verschwinden, immer mehr Grünland wird in Acker umgewandelt. Ein Acker geht ohne Gehölzstreifen in den nächsten über. Und selbst das Grünland, die Mähwiesen für die Viehfuttergewinnung, werden intensiv bewirtschaftet: Sie werden sehr früh und möglichst oft im Jahr gemäht, und dafür auch reichlich gedüngt. Massive Düngung sorgt allerdings für das Verschwinden vieler, für Insekten überlebenswichtiger Wildpflanzen, die mit nämlich überwiegend magere Böden brauchen. Trotz Wiesen voller Löwenzahn verhungern die meisten Insekten, weil ihre Nahrungspflanzen fehlen.
Fettwiese
Artenarme Fettwiese ( Quelle Pixabay)

Natürlich spielen zusätzlich zur industriellen Landwirtschaft auch Städte, Siedlungs- und Straßenbau eine Rolle. Auch dafür werden immer mehr natürliche Lebensräume zerstört und immer mehr Flächen versiegelt. Insekten fehlt es auch hier schlicht an ausreichendem Lebensraum. Ein zunehmendes Problem ist insgesamt die Zerstückelung der Landschaft: Naturschutzgebiete sind oft zu klein und liegen selbst für Fluginsekten zu weit auseinander. Sind jedoch die Lebensräume einzelner Insektenarten zu stark vereinzelt, werden einzelne Populationen isoliert und leiden zunehmend unter Inzucht. Krankheiten und Defekte breiten sich dann aus. Naturschutzgebiete machen mit nur vier Prozent der Fläche Deutschlands einen zu geringen Anteil aus, sind zu vereinzelt und oft auch zu klein, um diesem Massensterben etwas entgegenzusetzen (5).

Was sind die Auswirkungen?

Von den circa 48.000 Tierarten in Deutschland zählen mehr als 33.000 Arten zu den Insekten. Das sind ganze 70 Prozent (3). Neunzig Prozent aller Wildblumen werden von Insekten bestäubt, aber auch Dreiviertel unserer Nutzpflanzen. Unter den Bestäubern nehmen die Wildbienen zusammen mit den Schwefligen eine herausragende Stellung ein. Keine Bienen, keine Birnen und Äpfel, und auch kein Rapsöl! Die Rolle der Insekten als kleine Öko-Dienstleister in der Bestäubung kann gar nicht oft genug erwähnt werden.

Sandbienen auf Aroniablüte
Sandbiene auf Aroniablüte (Quelle Pixabay)

Insekten erbringen darüber hinaus aber auch noch ganz andere, „elementare Ökosystemleistungen“: Sie transportieren Samen quer durch Wald und Flur, lockern die Böden auf, vernichten Aas oder entsorgen tierischen Kot, sie bauen organische Masse wie Totholz oder das abgeworfene Laub ab, so dass die Nährstoffe wieder von Pflanzen aufgenommen werden können und die Fruchtbarkeit der Böden erhalten bleibt. Sie sorgen also dafür dass Nährstoffkreisläufe überhaupt erst möglich werden. Und Insekten reinigen Gewässer – die Dunkelmücken zum Beispiel (5).

Insekten sind von überlebenswichtiger Bedeutung für viele Ökosysteme. Sinkt ihre Anzahl unter einen kritischen Wert (Kippunkt), kollabieren unsere Ökosysteme. Auch uns wird damit die Lebensgrundlage entzogen. Und dazu muss eine Art nicht einmal ausgestorben sein. Kommen von ihr nur noch einzelne Individuen in weit auseinanderliegenden Gebieten vor, ist der Nutzen der Insektenart für ein Ökosystem verloren.  Insekten stehen an der Basis der Nahrungsketten und Netze in Ökosystemen, weswegen ihr Verschwinden drastische Auswirkungen auf viele andere Arten hat. Deshalb sind beispielsweise die insektenfressenden Vögel in den vergangenen Jahren auf der Roten Liste als immer gefährdeter aufgelistet. Auch Fledermäuse und andere Kleinsäugetiere wie beispielsweise Igel, Amphibien und Reptilien, die ausgewachsene Insekten oder ihre Larven, Maden oder Raupen fressen, sind betroffen. Ebenso alle räuberisch lebenden Insektenarten selber.

Stell dir die Bedeutung der Insekten für unsere Ökosysteme einfach wie ein Fundament eines hohen Turms vor. Bricht das zusammen, kollabiert das komplette Bauwerk.

Derzeit ist nicht klar, wie nah wir diesem Kipppunkt bereits gekommen sind. Aber das Szenario ist derart bedrohlich auch für uns Menschen dass es uns schaflose Nächte bereiten sollte und wir sofort alle Hebel in Bewegung setzen müssten, um an dieser Situation etwas zum Besseren zu ändern….aber es müssen die richtigen Hebel sein!

Gut gemeint ist nicht gut gemacht- im Gegenteil!

Da Thema der richtigen Hebel bringt mich zurück zur FFH- Bienenaktion und somit zurück zum Ausgangspunkt dieses Artikels! Kann die Aufstellung von Bienenstöcken mit Honigbienen in unseren Gärten einen Beitrag gegen das Insektensterben leisten? Die Antwort ist ein klares Nein. Schlimmer noch, sie kann es zusätzlich noch verschlimmern. Mehr Honigbienen lösen kein einziges der Probleme, die Ursache des Insektensterbens sind. Es gibt keine einzige weitere Wildpflanze, Hecke usw., wenn ich mir einen Bienenstock in den Garten stelle. Warum ist das so?

Honigbienen sind Nahrungskonkurrenten!

Je mehr Honigbienen vorhanden sind, desto mehr spitzt sich die ohnehin schwierige Situation für andere Bestäuber zu. Denn Honigbienen sind Generalisten unter den Bestäubern. Das bedeutet, dass sie nicht wählerisch sind und auf einer Vielzahl von Pflanzen Nektar tanken und Pollen für ihren Nachwuchs sammeln können. Ganz anders die Wildbienen. Viele unter ihnen sind ausgesprochene Spezialisten, die sich im Laufe der Evolution auf ganz bestimmte Blütenpflanzen angepasst haben (Artikel: Du bist meine Blume). Sie können nicht auf andere Pflanzen ausweichen, wenn das Nahrungsangebot ihrer Futterpflanzen schwindet. 

Die Blüten der meisten Pflanzenarten produzieren sowohl Nektar als auch Pollen. Es gibt aber auch sogenannte reine Nektarpflanzen und Pollenpflanzen. Beispielsweise gehören die männlichen Blüten von Haselnuss oder Erle oder Weidenarten zu den reinen Pollenlieferanten, die Blüten von z.B. Schmetterlingsflieder“ produzieren dagegen kaum oder gar keinen Pollen (7).

Begrenzte Ressourcen

Nun sind aber sowohl Pollen als auch Nektar begrenzte Ressourcen. Pollen einer Blüte wird so lange eingesammelt bis der Vorrat einer Blüte leer ist. Dabei ist die Menge die produziert wird je nach Pflanzenart sehr unterschiedlich. Nektar produziert die Blüte dagegen über die komplette Blütezeit hinweg immer wieder nach, so lange bis die Befruchtung der Blüte vollzogen ist. Ist eine Blüte befruchtet, besteht ja keine Notwendigkeit mehr, Insekten zur Bestäubung mit der Produktion von Nektar anzulocken.  

Honigbiene an Borretsch
Honigbiene an Borretsch (Quelle Pixabay)

Auch die Nektarmenge, die eine Blüte pro Tag anbietet, ist bei verschiedenen Pflanzenarten unterschiedlich. Sehr groß ist sie z. B. beim Boretsch (Borago officinalis) mit 2,6 mg, wie auch bei anderen Boretschgewächsen, z. B. Natterkopf (Echium) und den Lippenblütlern (Lamiaceae). Auch eine Tagesrhythmik in der Nektarproduktion lässt sich bei verschiedenen Pflanzen nachweisen. So sondert die Wegwarte (Cichorium intybus) nur zwischen 7 und 12 Uhr Nektar ab (9). Es ist also keinesfalls egal wann Insekten die Blüten ansteuern. So lange eine Blüte noch nicht befruchtet ist, füllt sie ihren Nektarvorrat wieder auf, wenn er leergetrunken wurde. Das dauert aber je nach Pflanzenart unterschiedlich lange. Wenn der Nektarvorrat leer ist, ist also eine Weile bei dieser Blüte nichts mehr zu holen. Und diese Tatsache ist von Bedeutung, wenn die Honigbienen ins Spiel kommen.

Ein Rechenbeispiel

Nehmen wir also einmal an, in deinem Garten wachsen verschiedene Glockenblumen. Glockenblumen sind für viele Wildbienenarten essentiell, weil sie genau diesen Pollen für ihren Nachwuchs benötigen und beim Einsammeln für sich selbst den lebenswichtigen Nektar tanken. Nun stellst du jetzt zusätzlich einen Bienenstock auf. Ein solcher Bienenstock enthält rund 50 000 Arbeiterinnen, die jetzt zusätzlich in deinem Garten auf Nahrungssuche gehen. Deine Glockenblumen produzieren aber nur eine bestimmte Menge Nektar pro Tag. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Wildbiene, die auf Glockenblumennekar und Pollen aus ist, leer ausgeht, weil die Blüte vorher schon durch eine der 50 000 Arbeiterinne besucht wurde, ist ziemlich groß. Den Honigbienen ist das egal, sie nehmen was sie kriegen können, sofern die Blüte zu ihrer Anatomie passt. Aber für Wildbienen wird es dann sehr schnell sehr eng. Und eng heißt im Zweifel: Hungertod einer solitär lebenden Wildbiene und keine Nachkommen. 

Honigbienen sind also Nahrungskonkurrenten für unsere Wildbienen und andere Insekten, die es ohnehin schon mehr als schwer haben.

Dave Goulson führt die Rechnung in seinem Buch „Und sie fliegt doch. Eine kurze Geschichte der Hummel“. Noch ein bisschen weiter. Ich zitiere einfach mal:

„Ein einziger Bienenstock enthält über 50 000 Arbeiterinnen, und Imker platzieren an einem Standort normalerweise zwanzig Bienenstöcke- das sind eine Million Bienen. Ein einziges Honigbienennest sammelt jährlich 60 kg Pollen und 150 kg Nektar. In Gegenden mit hoher Bienenstockdichte können Honigbienen bis zu 22500 kg Honig pro Quadratkilometer sammeln…Ein Teil dieser gewaltigen Honigmengen stammt von Kulturpflanzen, die die Bienen dafür bestäuben, doch ein großer Teil stammt von Wildblumen. Wenn man also diese riesigen von Honigbienen gesammelten Erträge betrachtet, liegt es auf der Hand, dass dies Auswirkungen auf andere Tiere haben muss, die gleichfalls Nektar benötigen ((6), S. 125).

Die Flugzeit ist nicht egal

Eine weitere Tatsache verstärkt die Nahrungskonkurrenz für Wildbienen noch. Insekten brauchen eine bestimmte Temperatur, um aktiv zu werden und ausschwärmen zu können. Honigbienen haben es durch die schiere Menge an Tieren und deren Aktivität kuschelig warm im Stock und können deshalb vergleichsweise früh am Tag ausschwärmen und nach Nahrung suchen. So früh am Morgen ist es für eine Solitärbiene aber noch zu kalt. Sie schwärmt erst später aus, wenn die Außentemperaturen schon gestiegen sind. Die Gefahr ist groß, dass dann „ihre“ Futterpflanze“ bereits von Honigbienen geplündert wurde und sie leer ausgeht. Ausnahmen bilden hier die Hummeln und einige weitere Wildbienenarten, die schon bei sehr geringen Temperaturen ausfliegen (8).

Teamwork versus Einzelkampf

Weiterhin besitzen Honigbienen gegenüber den Wildbienen eine Vielzahl an Eigenschaften, die ihnen beim Nektar- und Pollensammeln einen Vorteil verschaffen. Sie können durch den Einsatz von Kundschafterbienen schneller vielversprechende Nektar- und Pollenquellen auffinden und die Lage über ihre Tanzsprache kommunizieren. 

Sieger ist wer weiter fliegen kann

Darüber hinaus ist der Flugradius von Honigbienen viel größer als der von Wildbienen. Erstere haben um ihren Stock einen Flugradius von etwa 1,5-3km (in Extremfällen sogar bis zu 10km). Wildbienen fliegen auf der Suche nach Nahrung in Abhängigkeit ihrer Körpergröße nur etwa 50 bis max. 1500m (nur größere Arten) um ihr Nest. Dabei gilt bei Wildbienen zudem, je weiter der Weg zwischen Nest und Nahrungsressource, desto geringer der Bruterfolg und desto größer wird die Gefahr, dass ihre Brut Parasiten zum Opfer fällt (8). Wildbienen sind also in der Regel standortgebunden und können kaum auf andere Flächen ausweichen, während Honigbienen viel weitere Strecken zurücklegen können und zusätzlich bei Nahrungsknappheit von Imkern von einem Standort zu einem anderen verbracht werden können (7).

Je später im Jahr, desto härter der Konkurrenzkampf

Je weiter das Jahr voranschreitet, desto problematischer kann es für Wildbienen werden: Im späteren Jahresverlauf wird eine Überlappung bei der Ressourcennutzung von Honig- und Wildbienen wahrscheinlicher. Nach Abblühen der Massentrachten wenden sich die Honigbienen oft verstärkt kargeren Trachten zu, die bis dahin vor allem von Wildbienen angeflogen wurden (8).

Verschlimmern statt verbessern?

Die FFH -Aktion ist also leider das glatte Gegenteil ihres Mottos: Anstatt Bienen zu schützen und etwas „Für die Umwelt und die Zukunft unserer Kinder“ (1) zu tun, sorgt sie für eine Verschlimmerung des Bienensterbens und was das für die Zukunft unserer Kinder bedeutet, brauche ich jetzt sicher nicht mehr auszuführen. Es ist ein Beispiel für völlig falsch verstandenen Aktionismus.

Ich finde eine solche Aktion initiiert von einen Radiosender mit einer solchen Massenwirkung schlicht und einfach verantwortungslos! Es hätte so viele gute Möglichkeit gegeben: Saatgut von Wildpflanzen verteilen zum Beispiel. Und echte Aufklärung über Wildbienen und wie man ihnen helfen kann!

Die Honigbiene als freundliches Maskottchen?

Honigbiene als freundliches Maskottchen in Sachen Artenschutz
Honigbiene als freundliches Maskottchen in Sachen Artenschutz (Quelle Pixabay)

Doch wie kommt es zu diesem völlig falsch verstandenen Ansatz? Ich bin mir absolut sicher dass keiner der Initiatoren dieser Aktion etwas Böses im Sinn hatte. Ich glaube vielmehr dass das Missverständnis darin begründet liegt, dass die Honigbiene (seltsamerweise immer eher wespenähnlich dargestellt), als putziges Tierchen, dass jeder kennt und mag, zum Maskottchen vieler Maßnahmen gegen das Insektensterben gemacht wurde. Eigentlich aus gut gemeinten Gründen, jedoch inzwischen mit der Folge, dass viele Menschen das Insektensterben auf „Bienensterben“ reduzieren und bei Bienen nicht an unsere rund 500 Wildbienenarten denken sondern eben an die domestizierte Honigbiene.

Honigbienen sind keine Wild-, sondern Nutztiere! 

Die Honigbienen in Deutschland muss man tatsächlich als Nutztiere bezeichnen:  Die ursprünglich in Deutschland beheimatete Dunkle Honigbiene (Apis mellifera ssp. mellifera) ist hier in der freien Natur schon seit rund 100 Jahren ausgestorben. „Schuld“ daran waren bzw. sind die Imker und Bieneninstitute, die immer neue, leistungsfähigere und friedfertigere Honigbienenrassen züchteten. So sind die Honigbienen in Deutschland heutzutage allesamt domestizierte Hochzuchtrassen, die in der freien Natur ohne den Menschen nicht überleben könnten. Sie wurden auf Friedfertigkeit und hohen Honigertrag gezüchtet, mit Volksstärken, die größer sind als die der ursprünglich heimischen Honigbiene Apis mellifera mellifera (7). Auch Honigbienen geht es nicht gut. Aber die Ursachen des Honigbienensterbens haben zum großen Teil ganz andere Ursachen als das Artensterben bei „wilden Insekten“ (z.B. Varroamilbe, Viren und andere Krankheiten die durch weltweite Zuchtprogramme global verbreitet werden) (7). 

Der Ansatz der FFH- Aktion ist also in ungefähr so als wolle man unseren heimischen Wildkatzen helfen, indem man nicht etwa mehr naturbelassene Waldareale belässt und Verbundbiotope zwischen bestehenden Wäldern schafft, sondern einfach zusätzlich massenhaft Hauskatzen in den Wäldern aussetzt. Jeder würde hier bestimmt zustimmen dass dies ein absolut absurdes Unterfangen wäre!

Ich denke, dass es in der Haltung von Honigbienen dringend eines Umdenkens bedarf. Wer Honigbienen halten möchte, muss auch für ausreichend Futter sorgen und es nicht anderen (Gartenbesitzern) überlassen. Ich habe beispielsweise sehr häufig Besuch sehr vieler Honigbienen in meinem Garten. Ihre Bienenstöcke stehen nicht weit weg auf einem Waldgrundstück. Sobald die Frühblüher auf dem Waldboden und anschließend ein paar Wildkirschen verblüht sind, rücken sie bei mir im Garten an. Ob ich das möchte oder nicht. Als Reaktion bleibt mir nichts anderes übrig als so viele Blühpflanzen wie nur irgend möglich anzubieten. Der Vergleich mit anderen Nutztieren zeigt ganz gut, was daran nicht in Ordnung ist: Wie wäre es, wenn sich dein Nachbar Schafe anschaffen würde und sie, weil es in deinem Garten leckerere Pflanzen gibt als bei ihm, einfach selbstverständlich zu dir rüberschicken würde? 

Fazit: 

Um Bienen (und als Nebeneffekt auch Honigbienen) und anderen Insekten zu helfen, braucht es in erster Linie ein rigoroses und sehr schnelles Umdenken und Gegensteuern in der Landwirtschaft hin zu verantwortungsvollem, ökologischem Landbau. Kleinere Flächen, mehr Brachland, mehr Hecken, mehr Grünstreifen, weniger Düngung, weniger Gift. Es braucht die Akzeptanz für höhere Lebensmittelpreise und eine drastische Reduktion des Fleischkonsums auf der Seite der Konsumenten. Nur wenn wir weniger Flächen für den Anbau von Viehfutter verwenden, können wir es uns leisten, mehr Fläche brach liegen zu lassen und die genutzten Flächen nachhaltig zu bewirtschaften. 

Leider machen private Gärten und öffentliche Grünanlagen zusammen noch nicht mal ein Prozent der Fläche Deutschlands aus (5). Trotzdem zählt aber hier jeder Quadratmeter. Deshalb ist es ganz entscheidend wie du deinen Garten gestaltest! Auch in deinem Garten gilt: Je mehr wilde Natur mit heimischen Pflanzen desto besser für Insekten! Hat dein Garten wilde Ecken mit Totholz und Steinhaufen, viele heimische Stauden, Sträucher und Bäume, dann ist es ein grandioser Zukunftsgarten mit dem du einen wichtigen Beitrag für den Insekten und Artenschutz leistest, egal wie klein er ist. 

Mach also weiter so! Aber stell bitte keinen Bienenstock bei dir auf. Wenn unsere heimischen Insekten in ihrer ohnehin schwierigen Situation eines gewiss nicht brauchen dann ist es zusätzliche Konkurrenz durch Nutztiere wie die Honigbienen!


Quellen:

2 Kommentare

  1. Liebe Anke,

    auch wenn der Artikel schon etwas älter ist: Du sprichst mir aus der Seele! Ich kann Deinen damaligen Frust nur zu gut nachvollziehen. Mir selbst ist das Problem erst im letzten Jahr in seiner ganzen Tragweite bewusst geworden.

    Neben der gezielten wildbienenfreundlichen Gestaltung meines Gartens ist eine weitere Konsequenz, die ich daraus ziehe: Ich versuche, Honig und Bienenprodukte aus meinem Alltag zu verbannen. Das ist leider leichter gesagt als getan. Das fängt natürlich beim Honig an, der leider in sehr vielen Lebensmitteln enthalten ist, und geht über Kerzen bis hin zu Kosmetikprodukten (z.B. mein Lieblingslippenpflegestift).

    Positiv finde ich, dass das Problem langsam auch von den Medien aufgegriffen wird. In einer Folge von Studio Komplex (ARD) wurde z.B. differenziert berichtet und auch das Neo Magazin Royal hat das Thema in einem sehr gut recherchierten Beitrag aufgegriffen. Das stimmt mich etwas zuversichtlich…

    Antje

    1. Liebe Antje,

      Vielen lieben Dank für deinen Hinweis über die Folge von Studio Komplex, ich habe sofort reingehört. Ja, es ist sooooo wichtig dass das Thema über die Medien verstärkt aufgegriffen wird. Gut wenn sich da jetzt allmählich etwas bewegt:-)
      Was den Honigkonsum betrifft bin ich ganz deiner Meinung…es gibt wunderbare, pflanzliche Süßungsalternativen!

      Liebe Grüße,
      Anke

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