
In diesem Frühling haben wir unser Sandarium um eine Lehmwand erweitert. So eine senkrechte Wand aus einem Lehm-Sand Gemisch, bietet all jenen Insekten einen Ersatzlebensraum, die normalerweise in Steilwänden ihre Nistgänge graben. Und gestern ist etwas passiert, dass du dir anschauen musst…das Bild diese Beitrages zeigt es:-)
Mein Mann hat es als erster entdeckt und sich gewundert…dann habe ich es mir angeschaut und fand es auch rätselhaft. Also gleich ein Foto gemacht und online eine KI befragt. Resultat: Termitenhügel! Was? Äh…nein…! Meine menschliche Intelligenz ist doch noch zu etwas gut…
Ein Online-Bildvergleich mittels KI fand dann schnell die passende Erklärung:
Unsere Lehmwand hat eine erste Besiedlerin, und zwar eine Schornsteinwespe (Odynerus spinipes). Toll!

Was diese Wespe so macht…
Für die Eiablage gräbt das Weibchen mit ihren Mundwerkzeugen einen bis zu fünf Zentimeter langen Gang in das Steilwandsubstrat, weicht das dabei abgetragene Baumaterial mit Speichel ein und lagert es in Form von kleinen Kügelchen als löchrigen „Schornstein“ (passender finde ich eigentlich „Wasserhahn“) vor der Niströhre ab. In dem frisch gegrabenen Gang baut sie nach und nach 7 Brutzellen. In jede dieser Zellen legt sie ein Ei und als Proviant für die daraus schlüpfende Larve, packt sie bis zu 30, durch einen Stich gelähmte Rüsselkäferlarven dazu. Das ist nicht so nett für die Käferlarven, aber sie bekommen ihr Ende ja dank Betäubung nicht mehr mit.
Nach dem Brutgeschäft verschließt die Wespe die Niströhre mit den Lehmkügelchen des Schornsteins, der also eigentlich nur eine Art Material-Zwischenlager ist. Ziemlich raffiniert, diese ganze Technik, finde ich!
Wenn eine solche Wespenlarve dann alle Rüsselkäferlarven verspeist hat, verpuppt sie sich und überwintert als „Ruhelarve“. Im folgenden Frühjahr schlüpft die fertige Wespe und gräbt sich dann durch den Lehm nach außen.


Tolle Fotos zu Schornsteinwespen samt Beschreibung habe ich bei der Insektenschutzakatemie und auf der tollen Homepage „Naturgartenfreude“ entdeckt! Klick unbedingt mal rein.
Mein Darwin-Moment
Ich muss gestehen, dass ich mich wie Bolle über diese kleine Wespe freue. Ich hatte keine wirklich konkrete Vorstellung davon, wer denn in so einer Steilwand vielleicht einziehen würde oder ob überhaupt. Ich wollte mich überraschen lassen. Und jetzt: Tadaaaa! Eine Art, von deren Existenz ich überhaupt nichts wusste. Es fühlt sich deshalb für mich persönlich eigentlich wie die Entdeckung einer neuen Art an…ein echtes privates „Darwin-Gefühl“. Und ist es nicht toll, dass man dazu gar nicht mit der Beagle um die halbe Welt segeln muss? Für den eigenen kleinen Darwin-Moment reicht es vollkommen aus, einen Garten mit vielfältigen Strukturen anzulegen. Nur wenige Schritte raus aus dem Haus und schon geht es los auf Entdeckungstour.
Nachmachen: Baue selber eine Steilwand…
Möchtest du jetzt auch eine Steilwand bauen und dich auf die Lauer legen? Meine sieht so aus:

Ich habe dazu einfach etwas dickere, sägeraue Bretter gekauft und einen Kasten gebaut:
T 16 cm, B 80 cm H 48 cm. Zur Stabilisierung habe ich innen eine Unterteilung reingeschraubt, so dass 4 Fächer entstehen. Oben drauf schützt ein schräges Blechdach vor Nässe. Da ich die Wand vor die noch vorhandene Rückwand eines ehemaligen Schuppens gebaut habe, hat mein Holzkasten keine Rückwand. Ich habe ihn mit Winkeln direkt an die Steinwand geschraubt. Wenn deine Wand freisteht, musst du aber unbedingt eine wetterfeste Rückwand bauen!
Perfekte Ausrichtung: Süden oder Südosten, vor Schlagregen geschützt.
Wenn die Grundkonstruktion steht, geht es ans Befüllen. Nimm auf keinen Fall Ton oder reinen Lehm aus dem Baustoffhandel. Beides ist zu hart für grabende Insekten. In der Natur graben sie in weichem Löss oder in Lehm- Sandwänden von Flussufern oder Abbruchkanten und deine künstliche Steilwand soll ja diese Bedingungen möglichst gut simulieren. Das erreicht man am besten mit einer Mischung aus Lehm und ungewaschenem Sand. Da das richtige Mischungsverhältnis etwas knifflig ist (es darf weder zu weich, noch zu hart sein), habe ich einfach eine fertige Mischung beim Wildbienenprofi Volker Fockenberg eingekauft. Diese fertige „Steilwandsubstrat“ kannst du über seine Homepage Wildbiene. com beziehen. Diese Mischung ist gebrauchsfertig und braucht evtl. nur noch ein bisschen Wasser. In meinem Kasten habe ich genau 4 Säcke Steilwandsubstrat verbaut. Auf seiner Homepage findest du auch eine sehr ausführliche Anleitung zum Steilwandbau.
Ich habe meine vier Fächer mit Hilfe von Maurerkelle und Spachtel in mehreren Schichten befüllt, und jede davon erstmal antrocknen lassen. Wichtig ist, dass du das Material dabei gut festklopfst bzw. verdichtest. Je nach Wetter kann es sinnvoll sein, deine zukünftige Steilwand während des Trocknens der Schichten mit einem Sonnenschirm oder Segel zu beschatten, um zu schnelles Trocknen und dadurch Rissbildung zu vermeiden. Sollten doch Risse entstehen, kannst du sie in halbfeuchtem Zustand gut mit einem Hammer wieder schließen. In manchen Anleitungen wird geraten das ganze erstmal liegend zu befüllen und dann aufzustellen. Das wäre für meine Kräfte aber bei dem Gewicht des befüllten Kastens nicht mehr möglich gewesen. Das Befüllen des bereits fertig montierten, also senkrechten Grundgerüstes, hat aber wunderbar geklappt.
Nachdem alles durchgetrocknet war, habe ich noch einige Löcher in die Wand gebohrt. Warum? Sie dienen dazu, „grabewillige“ Insekten anzulocken, sie haben hier also nicht die Funktion fertiger Nistgänge wie du sie aus Insektenhotels kennst. Steilwandbewohner nutzen nämlich keine vorhandenen Löcher, sondern graben sich ihre Nistgänge selber. Die Oberfläche deiner Steilwand kann übrigens ruhig unregelmäßig aussehen. Verstreiche das Substrat also nicht zu glatt.

Zum Thema Wespen…
Falls dein Verhältnis zu Wespen durch Konflikte beim Grillen oder an der Kuchentafel getrübt sein sollte…Vielleicht gibst du ihnen nach dem Lesen meines Beitrags noch einmal eine Chance….
Wespen sind spannende Tiere mit oft hoch spezialisierten Lebensformen und übernehmen zudem wichtige Funktionen im Naturkreislauf, indem sie zum Beispiel Blattläuse oder andere Pflanzenschädlinge fressen oder – was oft vergessen wird – auch Pflanzen bestäuben.
Auch die erwachsene Schonsteinwespe kannst du beim Blütenbesuch beobachten, da sie sich von Nektar ernährt.