In diesem Beitrag erkläre ich dir, warum Pflanzen mit Pilzen zusammen in Lebensgemeinschaften leben, was beide davon haben und warum dieses Wissen für dich und deine Gartenbewohner wichtig ist.
Hast du schon einmal bemerkt, dass es Pilze gibt, die kunstvoll kreisförmig um einen Baum herum angeordnet wachsen, so als hätte dies jemand geplant? Oder dass du manche Pilze immer in der Nähe ganz bestimmter Baumarten findest? Beides ist kein Zufall.
Menschen neigen dazu meistens nur den oberirdischen Teil einer Pflanze wahrzunehmen. Der unterirdische Teil, das Wurzelwerk, wird oft vergessen. Hier unten im Verborgenen, spielen sich aber extrem spannende und immens wichtige Prozesse ab. Es lohnt sich deshalb, einmal genauer in diese Welt abzutauchen. Heute nehme ich dich mit auf Tauchkurs ins Erdreich! Und ich kann dir jetzt schon versichern, dass du im Anschluss mit einem völlig neuen Blick durch deinen Garten schlendern wirst!
Die allermeisten Pflanzen leben nämlich nicht alleine, sondern in enger Verbindung mit Pilzen an oder in ihren Wurzeln. Mit ihnen betreiben sie intensiven Tauschhandel nach dem Prinzip: „Gibst du mit was, gebe ich dir was!“ Eine solche Beziehung mit beiderseitigem Nutzen nennt man Symbiose. Die spezielle Symbiose zwischen Pflanzenwurzeln und Pilzen bezeichnet man als Mykorrhiza.
Bei diesem Tauschhandel erhalten die Pilze von „ihrer“ Pflanze vor allem Kohlenhydrate (Zucker), die die Pflanze durch Fotosynthese herstellt. Im Gegenzug wird die Pflanze von „ihren“ Pilzen mit Phosphor, Stickstoff (in Form von Nitrat und Ammonium) und Spurenelementen (Eisen, Zink, Kupfer, Kalium, Magnesium) versorgt (1). Die beteiligten Pilze sind dabei in der Regel von der Pflanze abhängig, während die Pflanze prinzipiell auch ohne ihre Pilzpartner überleben kann.
Wie sieht dieses Zusammenleben unter der Erde aus?
Es gibt zwei unterschiedliche Arten von Mykorrhiza: Endo– und Ektomykorrhiza. Darüber hinaus gibt es auch Mischformen und Übergängen zwischen beiden Arten.
Ektomykorrhiza ist die häufigste Symbioseform bei Bäumen und holzigen Sträuchern der gemäßigten Zone (Fichte, Kiefer, Lärche, Buchen, Eichen, Birken, Weiden (…)).
„Ekto“ bedeutet außen: Ein Dicker Mantel aus Pilzfäden, den sog. Hyphen, wächst um die kurzen Seitenwurzeln des Baumes herum und auch teilweise netzartig in die Zellzwischenräume der äußeren Wurzelschichten hinein. Die Wurzeln stellen daraufhin ihr Längenwachstum ein und verdicken sich nur noch (2).
Das unterirdische Geflecht aus Pilzfäden (man nennt es Mycel) kann sich außerhalb der Wurzel noch mehrere Meter weit in den Boden ausdehnen und an der Oberfläche sog. Fruchtkörper ausbilden, die der Fortpflanzung dienen. Die Pilzpartner bei Ektomykorrhizen sind meistens Ständerpilze, deren auffällige Fruchtkörper dir bestimmt schon mal aufgefallen sind. Beispiel sind Fliegenpilz, echter Pfifferling, Steinpilz (…). Seltener bilden Schlauchpilze (z.B. echte Trüffel) oder Jochpilze Ektomykorrhizen aus. Das was du oberirdisch als „Pilz“ wahrnimmst, ist also nur ein Fortpflanzungsorgan. Der eigentliche Pilz ist das unterirdische Fadengeflecht aus Hyphen, das Mycel.
Ganz anders sieht dagegen eine Endomykorrhiza aus, die Pflanzen mit Jochpilzen bilden:
Bei einer Endomykorrhiza wird die Wurzel nicht von einem festen Mantel aus Pilzmycel umschlossen, sondern wie der Name „Endo“ schon vermuten lässt, wachsen hier die Pilzfäden direkt in die Zellen hinein. In den Zellen bilden sie zarte „Bäumchen“, die sog. Arbuskeln, oder ovale Strukturen, sog. Vesikel aus. Die Arbuskeln dienen dem Nährstofftransfer zwischen Pilz und Wirtspflanze, die Vesikel zur Speicherung (1).
Endomykorrhiza sind mit einem Vorkommen von 80 % bei unseren Blütenpflanzen die häufigste Symbioseform. Die Mehrzahl der Pflanzen in Gärten, oder auf unseren Balkonen, auch unsere Nutzpflanzen im Gemüsebeet nutzen also diese Form des Zusammenlebens. Bei Bäumen ist Endomykorrhiza aber eher selten, sie kommt nur bei einigen Laubbaumarten vor.
Pflanzen leben übrigens oft nicht nur mit einer Pilzart zusammen: An einer Eiche können es schon mal 20 bis 30 verschiedene Pilzarten sein; an Pappeln wurden sogar über hundert Symbiosepilze nachgewiesen (4).
Was sind die Vorteile der Partnerschaft?
Pflanzen brauchen ihre Wurzeln zur Aufnahme von Wasser und Nährsalzen aus dem Boden. Die Wasseraufnahme erfolgt über die ganz, ganz feinen Wurzeln, die sog. Wurzelhaare und die äußere Zellschicht der noch nicht verholzten Feinwurzeln (4). Das kriegen sie prinzipiell auch ganz alleine hin. Wozu also das Zusammenleben mit Pilzen? Nun: Nur 10 % aller Landpflanzen machen das „freiwillig“ alleine. 90 % dagegen lassen diese Leistung zum großen Teil von ihren pilzigen Lebenspartnern übernehmen. Die Vorteile müssen für die Pflanzen also so groß sein, dass es sich für sie lohnt, einen Teil ihrer Fotosyntheseprodukte an Pilze abzugeben, anstatt sie in die Produktion eigener Biomasse zu investieren. Ich habe dir die Vorteile hier mal zusammengefasst:
- Höherer Einzugsbereich und größere Oberfläche
Die feinsten Wurzeln haben einen Durchmesser bis 0,5 mm, die feinsten Wurzelhaare messen dann sogar nur noch ca. 0,01mm. Sie können damit trotzdem nur in größere Bodenhohlräume mit sog. Grobporen (0,05-0,01 mm) eindringen, um Wasser aufzunehmen. Die fadenartigen Pilzhyphen dagegen sind mit 0,002 bis 0,003 mm Dicke sehr viel feiner, sozusagen hauchdünn . Sie können deshalb auch einen Teil der mittlere Bodenporen erschließen und somit rund 30 % mehr Wasser aus dem Nahbereich der Wurzeln aufnehmen als es ein Baum oder eine krautige Pflanze ohne sie könnte. Das ist eine Zusatzversorgung, die in Trockenzeiten über Leben und Tod entscheiden kann (4). Bei Ektomykorrhizapilzen wird die Ausbildung von Wurzelhaaren an den Baumwurzeln durch hormonelle Unterdrückung sogar aktiv verhindert. Kein Wunder, wenn man sieht wie viel effektiver die Pilzhyphen bei der Wasseraufnahme sind. Die aufnehmende Oberfläche aller feinen Pilzhyphen zusammen ist sehr viel größer als die der Wurzelhaare einer Pflanze: So können in 1 g Boden bis zu 20 m Hyphen enthalten sein (1). Und dieser Effekt wird noch einmal dadurch deutlich verstärkt, dass sich Pilzhyphen nicht nur im Wurzelnahbereich ausbilden, sondern auch im weiteren Bodenumfeld. Die feinen Hyphen können sich nämlich mit vielen anderen Hypen zu wurzelähnlichen, dickeren Bündeln vereinigen, die dann sogar einige Meter von der Pflanzenwurzel entfernt in den Boden hineinreichen und Wasser und Nährsalze für die Pflanze in Bereichen verfügbar machen, die sie selber nicht erreichen könnte weil sie schlicht zu weit entfernt vom ihrem Standort sind. Ein einziger Pilz kann sich über eine Fläche von mehreren hundert Quadratmetern ausbreiten und zahlreiche Bäume und andere Pflanzen miteinander verknüpfen. In einem Hektar Waldboden befinden sich bis zu sechs Tonnen Pilzfäden, die es zusammen auf eine unglaubliche Länge von mehr als 100 Milliarden Metern bringen können.Unter einem Quadratzentimeter liegen also Fäden, die aufsummiert mehr als 1000 Meter lang sind (6).
- Weniger Trockenstress
Es liegt also auf der Hand, dass die Wasserversorgung einer Pflanze mit Mykorrhizza gegenüber einer Pflanze ohne Pilzpartner um ein Vielfaches optimiert ist. Auch Pilzarten, die keine weit in den Boden reichenden Hyphen ausbilden mindern trotzdem Trockenstress, in dem sie zum Beispiel in besonderen, gelartigen Zellen Wasser speichern. Oft werden durch die Pilze auch die Wurzelspitzen der Pflanze zur vermehrten Verzweigung angeregt, so dass noch mehr Wurzeloberfläche zur Besiedelung mit Pilzen zur Verfügung steht.
- Weniger Nährstoffmangel
Pflanzen können Nährsalze nur dann aus dem Boden aufnehmen, wenn sie im Wasser gelöst sind. Wird durch Mykorrhiza die Wasseraufnahme entscheidend verbessert, stehen automatisch auch alle im Wasser gelösten Nährstoffe in deutlich höherem Umfang für die Pflanze zur Verfügung. Das ist aber noch nicht alles. Zusätzlich sorgen die wachsenden Hyhenspitzen nämlich aktiv für eine Erhöhung der Nährsalzaufnahme. Dazu zwei Beispiele:
Beispiel 1: Stickstoffverbindungen
Quelle für Stickstoff sind erstens tote Tier und Pflanzenreste, die in den Boden gelangen und nach und nach von Bodenorganismen zu Ammonium und Nitrat aufgeschlossen werden und zweitens Bakterien, die den Luftstickstoff binden und so im Boden fixieren können. Nach und nach wird Stickstoff in die Bodenlösung abgegeben und ist ab dem Moment für Pflanzenwurzeln verfügbar. Der größte Teil des Stickstoffs im Boden ist für Wurzeln aber erst einmal nicht erschließbar, weil er (noch) gebunden ist. Gerade im gemäßigten bis kalten Klima ist der Abbau organischen Blatt- und Nadelmaterials oft gehemmt und Stickstoff (und auch Phosphor, s.u.) bleiben lange in den unzersetzten Pflanzenresten der oberen Streuschicht gebunden. Und jetzt, tadaaaa- kommt der entscheidende Auftritt der Mykorrhizapilze:
Die Hyphen von Ektomykorrhiza besitzen nämlich die Fähigkeit Enzyme auszuscheiden, mit deren Hilfe sie den in organischen Verbindungen (vor allem Humusteilchen) gebunden Stickstoff gewinnen, in ihrem Mycel binden und den Pflanzen anschließend zur Verfügung stellen können. Deshalb gelten Pilze als die größten Stickstoffspeicher im Boden. Vor allem bei Trockenheit ist diese Fähigkeit für die Pflanze essentiell. Besonders an Standorten mit nur teilweise abgebautem organischem Material wie Wäldern finden sich daher vor allem Ektomykorrhiza (1).
Beispiel 2: Phosphat
Für das Wachstum von Pflanzen ist Phosphat extrem wichtig. Tatsächlich ist Phosphatmangel die häufigste Ursache für Wachstumsstörungen. Noch viel stärker als bei Stickstoff gilt: Das meiste Phosphat im Boden ist für die Pflanzen nicht verfügbar. Entscheidend dafür, ob sie Phoshat aus der Bodenlösung aufnehmen können, ist deren Ph-Wert. Ist er zu hoch, wird kein Phoshat in die Bodenlösung freigesetzt. Aber auch hier kennen die Pilze wieder einen Trick: Viel effektiver als Feinwurzeln dies können, sondern sie saure Ausscheidungen ab und setzen damit den Ph-Wert aktiv herab. So können sie für die Pflanze auch unter ungünstigen Bedingungen die Phosphatversorgung sichern. Beachtliche 70-80 % der Phosphatversorgung der Pflanzen wird durch ihre Symbiosepilze sichergestellt. Pilze können Phosphat dabei auch erst einmal speichern und es der Pflanze je nach Bedarf nach und nach weiterreichen. Allerdings nur in Verbindung mit Gegenleistung: Stellt die Pflanze zu wenig Zucker als Austausch bereit, halten die Pilze erstmal mehr Phosphat in gespeicherter Form zurück, so lange bis die Pflanze ihnen mehr zum Austausch anbietet. Die Balance zwischen Geben und Nehmen muss also stehts ausgewogen sein. Durchaus nachvollziehbar, denn niemand lässt sich gerne ausnutzen.
- Versorgung mit Mineralien
Pilze sind Tausendsassas! So wundert es nicht, dass sie auch Mineralien aus Gestein herauslösen können und deshalb erheblich zur optimalen Versorgung der Pflanze mit metallische Nährlelementen wie Kalium, Kalzium, Mangan, Magnesium, Zink, Kupfer, Eisen Cadmium, Cäsium und Aluminium beitragen. Die ausreichende Eisenversorgung beispielsweise ist Grundlage für die Bildung von Chlorophyll (4). Ein Mangel macht sich durch gelbe, Blätter bemerkbar. Die Blätter von mykorrhizierten Pflanzen sind dagegen kräftig satt grün!
- Schutz vor Krankheiten und Schädlingen
Pilze bauen für die Pflanzen gleich in vierfacher Hinsicht einen Schutzschild auf:
- Mechanischer Schutz und Verstecken: Durch den „Pilzmantel“, der die Feinwurzeln teilweise in einer dicken, mehrzelligen Schicht überzieht, werden die darin befindlichen Wurzeln einerseits mechanisch vor Schadorganismen geschützt, andererseits wirkt die Pilzschicht auch wie ein Tarnmantel unter dem die Pflanze z. B. von pflanzenfressenden Nematoden nicht erkannt wird.
- Antibiotische und pilzhemmende Ausscheidungen: Viele Mykorrhizapilze scheiden Stoffe in den umgebenden Boden aus, die eine antibiotische Wirkung haben. Dies ist vergleichbar mit dem Penicillin des Schimmelpilzes Penicillium, das sehr wirksam gegenüber Bakterien ist. Bei den Mykorrhizapilzen können Bakterien und/oder pilzliche Krankheitserreger durch diese Stoffe gehemmt oder abgetötet werden. Die Symbiose mit den „richtigen“ Pilzen schützt die Pflanze also vor den „falschen“ Pilzen.
- Präimunisierung: Durch das „freundliche“ Eindringen der Symbiosepilze in oder zwischen die Zellen der Wurzeln wird bei der Pflanze eine biochemische Reaktion hervorgerufen, die es weiteren „feindlichen Eindringlingen“ erschwert auch in die Wurzel hinein zu kommen. Diese Form der Schutzimpfung ist nicht nur im Bereich der mykorrhizierten Feinwurzeln nachweisbar, sondern sogar bis hinein in die Blätter. Durch die Weiterleitung von Botenstoffen verfügt die gesamte Pflanze über eine verbesserte Abwehr.
- Kräftigung und Vitalisierung: Allein schon der erheblich verbesserte Versorgungszustand mit Nährstoffen und Nährsalzen mykorrhizierter Pflanzen verhindert eine Schwächung, die sich negativ auf das Abwehrvermögen auswirken kann. Eigentlich klar: Geschwächte Organismen – egal ob Mensch, Tier oder Pflanze – werden deutlich schneller von Krankheiten oder Parasiten befallen. Eine gesunde Pflanze ist sehr häufig in der Lage eintretende Schäden noch zu kompensieren (4).
Das sind jede Menge Vorteile für die Pflanze. Wie sieht es auf Seite der Pilze aus? Im Gegenzug zu ihren Leistungen genießen die beteiligten Pilze innerhalb der Mykorrhiza einen Lebensraum mit gleichbleibenden biologisch- chemischen Bedingungen und garantierter Versorgung durch Kohlenhydrate. Und wer würde nein sagen zu einer solchen Absicherung im Rundrum-Sorglos-Paket?
Über die direkten Vorteile für die beteiligten Pilze und Pflanzen hinaus, verbessern die Pilze aber generell die Bodenstruktur, so dass letztendlich auch andere Bodenlebewesen von der Mykorrhiza profitieren (2).
Netzwerke intakter Lebensräume
Mykorrhizza sind aus all diesen Gründen ein extrem wichtiges Element eines Ökosystems, wie beispielsweise eines Waldes. Dabei bilden sich Netzwerke nicht nur zwischen Pilzen und Pflanzen aus, sondern die Pflanzen sind mithilfe des Pilzmycels auch untereinander vernetzt. So erfolgt dann auch der Transport von Nährstoffen nicht nur vom Pilz zur Pflanze bzw. von Pflanze zu Pilz, sondern über die Pilzhyphen auch von einer Pflanze zur anderen. Zum Beispiel können so Jungpflanzen, die unter dem dichten Blätterdach älterer Bäume wenig Licht für die eigene Fotosynthese abbekommen, von älteren Bäumen wie über eine Nabelschnur mitversorgt werden. Forscher konnten inzwischen nachweisen, dass auch Pflanzen unterschiedlicher Arten über das Pilz-Wurzel-Netzwerk Stoffe austauschen. So können etwa Klee und andere Leguminosen Stickstoff an das Mykorrhiza-Netz abgeben, während Sträucher und Bäume Wasser beitragen, an das sie mit ihren langen Wurzeln besser herankommen als kleinere Pflanzen. Wieder andere steuern zum Beispiel Phosphor oder Zuckerverbindungen bei. Und in der Regel bekommt jeder für seinen Beitrag etwas zurück – das, was er eben braucht oder an was er nur schwer herankommt. Es herrscht also ein geschäftiges Treiben auf dem Basar der Pflanzen (6). Aber die Forschungsergebnisse zeigten auch, dass beispielsweise gesunde Pflanzen, die gerade genug Nährstoffe haben, kranke Pflanzen mitversorgen und sterbende Pflanzen Nährstoffe an ihre Artgenossen spenden. Das was hier stattfindet erinnert an soziales Verhalten und ist etwas das die meisten Menschen wohl kaum mit Pflanzen assoziierren. Doch es lässt sich auch das Gegenteil beobachten, insbesondere dann, wenn essentielle Ressourcen wie Stickstoff, knapp sind. Dann kommt es auch vor dass manche Pflanzen das Wachstum ihrer Nachbarn über die Pilzhyphen hemmen, indem sie ihnen „giftige Moleküle“ zukommen lassen (6), durchaus auch mit Tötungsabsicht. die Bandbreite an Verhaltensmustern ist also groß und reicht vom gegenseitigen Helfen und Unterstützen, über für beide Seiten ausgewogenem Handel bis hin zu Ausnutzung und Mord.
Pflanzen sind vielschichtig, und so wundert es dann eigentlich kaum noch dass auch die Kommunikation der Pflanzen untereinander nicht nur über Duft-Botenstoffe durch die Luft oder über den Boden, sondern auch über das unterirdische Netzwerk erfolgt. Eine solche Kommunikation über Pilzphyen ist viel zielgerichteter als mittels unspezifisch abgesonderter Signalstoffe, zudem kann die Informationsweitergabe in Pilzhypen in beiden Richtungen erfolgen. So fand man beispielsweise Hinweise darauf dass von Blattläusen befallene Ackerbohnen ihre Nachbarn auf direktem Wege über die Pilzhyphen warnen (6). Letze Beweise für die Kommunikation über Pilzhyphen fehlen noch. Aber wundern würde es mich nicht wenn man sie bald fände. Einige Forscher ziehen sogar bereits Vergleiche zwischen den umfangreichen Wurzel-Pilz-Netzwerken und den vernetzten Nervensystemen im Tierreich.
Als Parallele zu unserer eigenen, starken Vernetzung über das Internet, hat sich im Wald der Begriff des „wood-wide-web“ geprägt, durchaus sehr passend, wie ich finde (6)
Stadt- und Gartenpflanzen als Einzelkämpfer: Wenn sich Pflanze und Pilz nicht finden können
So. Jetzt verfügt du über jede Menge „Klugscheißerwissen“ über die Bedeutung von Pilzen im Untergrund. Schön und gut- aber muss man das auch als Gartenbesitzer alles wissen? Ja! Denn es erklärt warum es vielen Pflanzen in Siedlungsräumen nicht besonders gut geht. Oft liegt das „Schwächeln“ der Pflanzen daran, dass sie hier nicht in ihrem natürlichen Umfeld wachsen (müssen). Stell dir als Kontrast vor, dass in einem intakten Wald ein Jungbaum heranwächst, als Sämling eines Mutterbaumes. Er wächst in einer optimalen Umgebung heran und seine Wurzeln finden im Boden von Anfang an den Kontakt zu „seinen“, also artspezifischen Symbiosepilzen. Er profitiert also von Anfang an von allen genannten positiven Effekten einer Mykorrhiza.
Jetzt schauen wir in die Stadt, an unsere Straßenränder, auf die Gewerbeflächen und die Gärten unserer Neubaugebiete. Oftmals geht hier einer Pflanzung eine Bauphase voraus. Boden wird abgetragen, von rechts nach links geschaufelt, manchmal ist zunächst gar kein Boden vorhanden und es wird erst „Mutterboden“ bestellt. In jedem Fall findet ein neu gepflanzter Baum oder Strauch hier keine intakten Bodenverhältnisse vor, da es sich nicht um „belebten“ Boden handelt. Oft sind keine oder nicht die richtigen Symbiosepilze vorhanden und der Baum muss ohne diese Partnerschaft klarkommen. Auch eine Besiedelung des Bodens über Pilzsporen aus der Luft ist oft nahezu ausgeschlossen, da das nächste intakte Waldgebiet zu weit entfernt ist. Der Baum versucht dann nach Kräften alleine klarzukommen. Irgendwie. Jetzt, da du alle Vorteile einer Mykorrhizza kennst, hast du eine klare Vorstellung der Schwierigkeiten, mit denen so ein Baum- Straßenkind oder Neubaugarten- Einzelkämpfer dann konfrontiert ist. Seine Wasserversorgung ist ohne Pilzpartner ohnehin schon nicht ideal, zusätzlich hat er vielleicht nur eine kleines Pflanzloch inmitten von Asphalt zur Verfügung und dann ist er auch noch mit Hitzesommern und Trockenheit konfrontiert. Zusätzlich ist seine Abwehrfähigkeit gegenüber Krankheiten und Schädlingen deutlich herabgesetzt. Wundert es dich jetzt noch, dass viele Pflanzen unter solchen Bedingungen kapitulieren? Pflanzen sind von Natur aus eben keine Einzelkämpfer. Noch nicht einmal unter optimalen Umweltbedingungen! Und erst recht nicht dann, wenn sich die Bedingungen als Folge des Klimawandels verschlechtern und es überlebenswichtig wird anhaltende Hitze und Trockenperioden zu überstehen. Bäume und Sträucher in Siedlungsräumen werden für uns zunehmend an Bedeutung gewinnen, als kleine grüne Klimaanlagen, Schattenspender und Luftreiniger. Es ist höchste Zeit, dass wir mehr auf ihre Bedürfnisse eingehen und uns vergegenwärtigen was wir ihnen, oft losgelöst aus ihren natürlichen Lebensräumen, zumuten. Sie sind Teamplayer. Und unsere Verantwortung ist es ihnen zu helfen, dass sie sich untereinander vernetzen und gegenseitig unterstützen können. Was wir dringend brauchen ist eine ganzheitliche, ökologische Betrachtungsweise von Pflanzen und Gärten!
Wie wir das Wissen über Mykorrhiza nutzen können
Wir haben inzwischen recht genaue Kenntnis darüber, welche Pflanzen welche Form der Mykorrhiza ausbilden, und welche Pilze daran beteiligt sind und können deshalb helfend eingreifen, wenn Bäume als Einzelkämpfer in Not geraten. Die naheliegendste Maßnahme wäre, in intakten Wäldern geeigneten Boden zu entnehmen und damit Stadtbäume im Wurzelbereich „anzuimpfen“. Das Problem dabei ist jedoch, dass man dadurch in intakte Lebensräume störend eingreift und eine Entnahme in großem Stil nicht möglich wäre, dass man zweitens nicht sicher sein kann, ob die richtigen Pilzpartner wirklich in ausreichender Menge enthalten sind und dass man drittens evtl. Schädlinge mit der Erde einbringt.
Daher hat man Verfahren entwickelt, Präparate mit Mykorrhizapilzen künstlich herzustellen. In der Forstwirtschaft; bei Aufforstungsprojekten mit wurzelnackten, jungen Waldbaum- Setzlingen arbeitet man bereits seit Jahren mit Mykorrhizapräparaten und die Erfolge sind deutlich messbar. Vor allem an stark geschädigten Standorten, an denen es an Ektomykorrhizapilzen mangelt, hat sich der Einsatz von Pilzpräparaten in der Praxis bewährt. (2) In der nachhaltigen Forstwirtschaft versucht man bei Aufforstungen die natürlichen Mykorrhizapilzpopulationen zu nutzen – etwa durch das Stehenlassen einzelner, älterer Bäume – anstatt die Pflanzen in der Baumschule künstlich mit einem Pilz zu beimpfen.
Durch ihre Fähigkeit Schadstoffe wie Schwermetalle zu filtern, erleichtert der Einsatz von Mykorrhizzapräparaten die Wiederaufforstung von Extremstandorten wie Abraumhalden, Industiebrachen und vergleichbarer, belasteter Standorte.
Die Versorgung von Stadtbäumen mitz passenden Mykorrhizapräparaten rückt in seiner Bedeutung erst langsam stärker in den Fokus. Nach allem was wir inzwischen über die Bedeutung von Mykorrhiza wissen, sind die deutlichen Verbesserungen auch hier kaum überraschend. Schau mal hier.
Idealer Weise kann man Mykorrhizapräparate bereits bei der Pflanzung mit in die Pflanzerde geben, so dass sich von Anfang an ein Symbiosenetzwerk ausbilden kann. Dazu lockert man vor der Pflanzung den vorhandenen Wurzelballen der Pflanze kräftig auf und gibt dann das Präparat direkt in das Pflanzloch. Bei so bestens versorgen Jungpflanzen konnte beobachtet werden dass die Wurzelneubildung unter Mykorrhizzaeinfluss verstärkt wurde und die Wurzeln in deutlich tiefere Bodenschichten vordrangen (4).
Man kann aber auch später noch Bäume „animpfen“: Dazu werden mit Spaten Schlitze in seinem Wurzelbereich gestochen (die notwendige Anzahl berechnet sich nach Stammdurchmesser des Baumes) und diese mit Mykorrhizapräparat befüllt. Ein solches Animpfen ist auch bei alten Bäumen noch möglich. Man bezeichnet dieses Vorgehen dann als „Baumsanierung“.
Es wäre absolut wünschenswert, wenn Baum und Gartenbaumschulen alle ihre Jungpflanzen bereits mit Mykorrhizzapräparaten versorgt vorziehen würden. Solche Pflanzen brächten in der Erde ihrer Töpfe gleich ihre passenden Symbiosepilze mit an ihren zukünftigen Lebensort.
Was du in deinem Garten tun kannst
In meinem Garten gab es zur Hälfte jahrzehntelang nur einen Hang mit Gras. Es ist kein Neubaugarten, insofern liegen keine „gestörten“ Bodenverhältnisse vor. Dennoch ist es äußerst unwahrscheinlich, dass meine inzwischen im Hang gepflanzten Bäume und Sträucher in diesem Boden ihre benötigten Symbiosepilze gefunden hätten. Das liegt daran, dass Bäume andere Mykorrhizapilzpartner brauchen als beispiesweise Gräser. Hätte ich hier schon alten Baumbestand vorgefunden, wäre die Wahrscheinlichkeit deutlich größer, dass der Boden bereits mit geeigneten Pilzen besiedelt ist. Das Problem fehlender Mykorrhizapilze taucht bei jeder „Umnutzung“ einer Fläche auf und trifft somit auf die meisten Situation im Siedlungsraum zu. Ich habe meine Bäume deshalb mit passenden Mykorrhizapräraraten im Wurzelbereich „angeimpft“ und mir inzwischen angewöhnt bei jeder Neupflanzung einfach das passende Mykorrhizzapräparat gleich mit in das Pflanzloch zu geben. Egal ob es sich um einen Baum, einen Strauch, eine Staude oder meine Gemüsebeete handelt. Da ich keinen Vergleichsgarten mit den gleichen Pflanzen habe, kann ich natürlich nicht sagen, ob es den Pflanzen jetzt tatsächlich besser geht und ob sie wirklich ihre passende Mykorrhiza gebildet haben. Aber gut geht es ihnen auf jeden Fall und die Chancen, dass sie so bessere Voraussetzungen für ein gesundes Pflanzenleben vorfinden, sind in jedem Fall deutlich gestiegen.
Es ist (noch) nicht einfach, als Privatperson geeignete Präparate zu erwerben. Viele Hersteller verkaufen bisher nur an gewerbliche Kunden. Doch hier wird sich in den nächsten Jahren hoffentlich etwas tun. Ich bin davon überzeugt dass das Thema von so immenser Bedeutung ist, dass jeder Gartenbesitzer in Zukunft hoffentlich ganz selbstverständlich dafür sorgen wird, dass sich Pilze und ihre Symbiosepartner finden können. Lass uns deshalb gemeinsam dafür sorgen dass in unseren Gärten lebendige Netzwerke bilden können! Über- und unter der Erde.
Aktiv werden!
Eine Auflistung darüber welche Pflanze welche Mykorrhiza eingeht, findest du hier. Welche Pflanze nutzt welche Mykorrhizaform?
Hier findest du geeignete Mykorrhizzapräparate für deinen Garten.
Quellen:
(1) https://www.spektrum.de/lexikon/biologie-kompakt/mykorrhiza/7904 (besucht am 05.04.2022)
(2) http://www1.biologie.uni-hamburg.de/b-online/myco/D16/index.html (besucht am 05.04.2022)
(3) https://www.mykorrhiza-shop.de/mykorrhiza-kaufen/mykorrhiza/was-ist-mykorrhiza.php (besucht am 05.04.2022)
(4) https://mycorrhiza.de/vorteile-bei-trockenheit-und-stress/ (besucht am 27.05.2022)
(5) https://www.gefafabritz.de/amfile/file/download/file/399/ (besucht am 27.05.2022)
(6) https://www.spektrum.de/news/die-vernetzte-welt-der-pflanzen/1598658 (besucht am 08.06.2022)