Vom Scheitern…und neu Versuchen

Blühwiese mit Flockenblume und Wiesenknopf
Blühwiese mit Flockenblume und Wiesenknopf (Foto: © Anke Leins)

Natürlich wollte ich in meinem Garten auch eine Wildblumenwiese haben. Unbedingt! 

Wie man so etwas anlegt, weiß ich und bin im Allgemeinen auch nicht verlegen, wenn ich anderen dazu Tipps und Tricks verraten kann (Artikel „Jetzt wird es bunt“). Bei uns war es dann vor 5 Jahren soweit, als wir durch glückliche Fügung auch das an unseren Garten grenzende Brachland kaufen und unser Paradies dadurch verdoppeln konnten.

Nun muss man aber wissen, dass unser Garten nur durch eine kleine Tür und anschließend drei Stockwerke Treppen zu erreichen ist. Keine Chance also für großes Gerät. Und so versuchten wir damals, ausgerüstet mit einer kleinen Motorhacke, Eimer und Spaten, 300 Quadratmeter Wildwuchs zu jäten, um im Anschluss unser Wildblumenwiesensaatgut fachfrauisch auszusäen. Tja…Gemeinhin ist die Bodenvorbereitung da A und O vor jeder Aussaat und genau das erwies sich auch bei uns als Stolperstein. Es verblieben etliche Wurzelreste im Boden und wir hatten nicht die Geduld, die Fläche nochmal „auflaufen“ zu lassen, also abzuwarten was nochmal wächst um dann neuerdings abzustechen bzw. unterzupflügen oder zu hacken. Wir waren ungeduldig und voller Tatendrang und so säten wir also schon nach unserer suboptimalen Bodenvorbereitung aus….

Es wurde erstaunlich schnell wieder grün und, oh große Freude, es fanden sich auch die erhofften Wildblumen ein. OK. Zumindest einige! Akribisch führten wir am Anfang „Schröpfschnitte“ durch, um den Keimlingen genügend Luft und Licht zu verschaffen, warteten geduldig auf das Erblühen der Zweijährigen im darauffolgenden Jahr…mähten ab dann nur noch zweimal jährlich, räumten zwecks Abmagerung und um die Gräser in Schach zu halten brav immer alles Schnittgut ab…und stellten fest, dass die Menge an Gräsern von Jahr zu Jahr zunahm. Hmmm. So hatte ich mir das eigentlich nicht vorgestellt! Nicht mit mir, habe ich gedacht…und im Herbst immer wieder besonders große „Gräserhorste“ abgestochen und an diesen Stellen neu ausgesät, in der Hoffnung von diesen Wildblumen Hotspots möge sich die Blütenfülle doch bitte, bitte über die restliche Fläche ergießen. 

Trotzdem: Immer mehr Gräser! Und jetzt? Ziegen anschaffen?

Und dann entdecke ich dieses Jahr ein paar hundert Meter weiter an den Hängen meines Vulkankegels geradezu bilderbuchmäßige Wildblumenwiesen: Glockenblumen, Flockenblumen, Hahnenfuß, Wiesenknopf, Klee und und und…Gräser ja, aber nicht zu viele. Luftlinie zu meinem Grasparadies: 200 m. Gemein ist das schon! So etwas wollte ich, oder besser: Will ich! Immer noch! Und ehrlicher Weise führte diese Entdeckung zunächst einmal zu einigen trüben Gedanken…ich bin mit meinem Projekt Wildblumenwiese gescheitert! Oder nicht? Und wenn ja, was ist die Konsequenz? Alles auf Anfang? Nochmal alles abtragen und neu aussäen? 

Zum Glück dauern solch trübe Gedanken bei mir nie lange an und sind, so auch in diesem Fall, eher Teil eines Erkenntnisprozesses.

Hier wird also jetzt nichts abgetragen und ausgemerzt, zu Gunsten einer vagen Zukunftsvision „der perfekten“ Blühwiese. Außerdem habe ich in meiner Wiese drei Jahr lang jeden Herbst hunderte Krokuszwiebelchen als frühes Bienenfutter verbuddelt und dieses famose, immer üppiger werdende Blühinferno jetzt wieder zu stören wäre mehr als Frevel.

Stattdessen wird sich darüber gefreut was in meiner Wiese so los ist. Jawohl! Ameisen und Grashüpfer, jede Menge Käfer,  Spinnen und ja, auch zahlreiche Wildbienen an Witwen- und Flockenblumen, an Storchschnabel und Labkraut, Rotklee, Scharfgarbe und Hahnenfuß….ja, ich habe viiiiiiel mehr Gräser als 200 m Luftlinie weiter, aber das Leben als solches und das des Gartens im Besondern ist eben ein Prozess. Wer wäre ich, wenn ich dort ständig über „gut“ und „schlecht“ richten würde? Und wer bestimmt hier eigentlich über den Wert dessen was ist? Und überhaupt: Kann es beim „Gärtnern“ in einem naturnahen Garten überhaupt ein Scheitern geben? Wer oder was scheitert denn da? Die Natur doch wohl nie. Irgendwas macht sie aus allem was wir versuchen. Kommt nicht die Idee des Scheiterns als Möglichkeit eher aus dem Garten- und Landschaftsbau? Aus der Abteilung akkurater Fundamente und Zäune, Treppen und Wege, aus dem richtigen Verhältnis beim Mischen von Betonfundamenten und ähnlichem, aus der Idee, dass der Buchs als akkurate Kugel zu wachsen habe und bitte alle Stauden die Begrenzung des ihnen zugewiesenen Platzes respektieren mögen?  Kommt nicht mit all dem erst die Angst etwas falsch zu machen? Richtig und falsch sind keine Kategorien, die die Natur kennt, es ist was vom Gärtner selbst Gebackenes.

Kennst du sie auch? Diese diffuse Unzufriedenheit, wenn wir im Garten etwas gestalten, das am Ende nicht unserem Idealbild im Kopf entspricht? Ich finde damit muss mal Schluss sein. Feiern wir stattdessen den Prozess, das Fließende, die Entwicklung, den Moment wie er ist. Dann verweilen wir vielleicht öfter im Hier und Jetzt und finden zu mehr Genuss und Ruhe! Das ist es doch letztendlich wonach wir uns so sehen, aber es so selten erreichen.

Zurück zu meiner Weise. Zu ihrer Entwicklung gehört ganz einfach auch die Vorgeschichte dazu: Sie war nämlich Jahrzehnte lang das Gemüseeldorado unserer inzwischen verstorbenen Nachbarin „Oma Minna“. Hier wurde immer wieder Kompost ausgebracht und auf Grundlage unseres ohnehin nährstoffreichen, fetten Lehmbodens ist ein seeeeeeehr fruchtbarer Boden entstanden. Und dann komme ich daher mit der Idee einer Wildblumenwiese, die besonders toll auf mageren Standorten gedeiht. Ich habe in Vorahnung der Bedingungen zwar bereits eine Saatgutmischung für nährstoffreiche Wiesen verwendet, aber mein Boden ist nun mal eben besonders nährstoffreich! Und Gräser lieben das! Und nein, ich schleppe jetzt auch nicht 6 Tonnen Sand, Eimer für Eimer drei Stockwerke hinunter um 300 Quadratmeter abzumagern. Das ist nicht meine Vorstellung von Nachhaltigkeit. Gärtnern mit dem was ist, schon eher! Sehen wir also den Tatsachen ins Auge: Ich habe eine wunderbare Fettwiese!

Aber ich wäre nicht Mensch, wenn ich mich so schnell von meinen Träumen verabschienen könnte. Es gehört zum Wesen des Menschen dass er sich Ziele setzt und die Ergebnisse seines Tuns an ihnen misst. Er kann nicht aus seiner Haut: Menschen sind Zweifler, Nachbesserer, Vergleicher und Tüftler.

Deshalb habe ich inzwischen auch einen neuen Plan ausgeheckt für doch ein bisschen weniger Gräserwust, aber ohne die Wiese als solche zu stören: Im erwähnten 200 m entfernten Vulkanhang-Wiesenparadies blühen nämlich ganze Heerscharen des raffinierten zottigen Klappertopfes (Rhinanthus alectorolophus). So sieht der kleine Wicht mit seinen zitronengelben Lippenblüten aus:

Blüte des Klappertopfes (Foto: © Anke Leins)

Mein Mann rief übrigens beim Spazierengehen angesichts der gelben Pracht ganz entzückt aus: „Guck mal wie schön, so viele Schlüsselblumen“. Ähhhh….nein, nicht ganz!

Der Klappertopf macht etwas ganz Besonderes: Er betreibt zwar selber Fotosynthese, zapft aber zusätzlich die Wurzeln vor allem von Gräsern an und klaut sich von ihnen Wasser und Nährstoffe. Pflanzen, die sowas machen, nennt man Halbparasiten (Vollparasiten würden dann selber überhaupt keine eigene Fotosynthese mehr betreiben). Für die solcherart gebeutelten Gräser ist das nicht der Untergang, aber es schwächt sie zumindest deutlich.  Und ein bisschen Gräserschwächung käme mir in meiner Wiese ja durchaus gelegen…. So als neuer Versuch. Oder Neustrategie. Der Klappertopf ist einjährig und bildet in seinen Kapseln reichlich Samen aus, die, wenn sie reif sind, schön in ihren Kapseln klappern. Daher sein Name. 

Samenkapseln des Klappertopfes: Sie werden von unten nach oben nach und nach reif. (Foto: © Anke Leins)

Also zog ich unlängst los und habe Samen geerntet, um meinen Gräsern zukünftig mit Klappertopf zu Leibe zu rücken. Nicht zu viele habe ich gemopst, denn ich will ja nicht diese famosen Wiesen ihrer Halbparasitenhorde berauben, aber doch hoffentlich genügend für meinen Plan. Und ausgesät habe ich auch schon, denn wenn er das jetzt auf den Wiesen macht, kann es nicht verkehrt sein. Ende ungewiss. Klappertopf ist ein Kaltkeimer: Er braucht den Winter, um anschließend im Frühjahr keimen zu können. Und wer weiß schon wer bis dahin vielleicht meine Samen gefressen hat. Zugegeben: Ich habe schon wieder Idealvorstellungen vom kommenden Jahr mit einer zitronengelben Klappertopfwiese in meinem Kopf. Da kann ich nichts gegen machen. Aber ich weiß inzwischen mit ihnen umzugehen! Egal was daraus wird: Ich freue mich auf das nächste Wiesenjahr!


Blühwiese
Wildblumenwiese in 200 m Luftlinie:-) (Foto: © Anke Leins)

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