Lawinenschutz klingt nach Alpen und dem letzen Skiurlaub- war aber tatsächlich gerade akut erforderlich in meinem hessischen Hanggarten. Irgendwer meinte unlängst zu mir, ich solle mal mehr „Baustellenberichte“ bloggen, nicht immer nur toll aussehende Endergebnisse…damit man ein Gefühl bekäme, für den Weg und die Arbeit die sich stets geschickt zwischen Idee und Ziel versteckt und immer deutlich harmloser tut als sie ist. Voilà: Hier kommt also mal ein Beispiel für Problem, Weg (inklusive Arbeit) und Lösung:-).
Mit Hauskauf wurden wir ja bekanntlich zugleich stolze Besitzer eines Steilhanges…mit Steingartenbereich unterhalb unserer Terrasse, fertig angelegt und auch recht hübsch bewachsen und von Zauneidechsen bewohnt. Nach kurzer Zeit als frischgebackene Steilhangbewohner meinte mein Mann festgestellt zu haben, dass einige Steine im Steingarten leicht ihre Position veränderten. Hmmmm….ich tat es erstmal als Halluzination ab. Wandernde Steine….das würde ich doch auch sehen! Nun, knappe 10 Jahre später lässt sich die Wahrnehmung des Mannes nicht mehr abstreiten: Einige Steine, die ehemals weit oben im Steingarten siedelten, finden sich inzwischen ein gutes Stück hangabwärts; Zwischen Terrasse und Steingarten klafft ein an Breite zunehmender Spalt und einige, furchterregend große Steine, drohen zu kippen….Der Mann fantasiert inzwischen von entfesselten Gerölllawinen, die talwärts rollen. Nun ist mein Mann ein Ingenieur und ich habe aus Erfahrung gelernt, dass es klug ist durchaus mal auf ihn zu hören, wenn es um Konstruktion und Statik geht.
Was also ist seine Idee zur Eindämmung der Lawinengefahr? Klare Sache: Steingarten abtragen, Hang mit Trockenmauern wieder neu aufbauen! Ach du Schreck, dass klingt nach einem fiesen Vorhaben, zumal unser Garten keinerlei Zugang für schweres Gerät anbietet… aber jammern dämmt bekanntlich weder Lawinengefahren noch sonstige Probleme ein, also: Auf gehts!
Schritt 1: Evakuierung aller vorhandener Pflanzen. Sie alle sollen ja nachher wieder angesiedelt werden.
Schritt 2: Inspektion der Lage…Unter nur einer einzigen „Packung“ Steine finden wir Bauschutt…Ziegelbruch, Mauerbrösel aller Art, Erde…Unser Steingarten entpuppt sich als ein großer Haufen Bauschutt mit „Steinkruste“. Herzlichen Glückwunsch!
Schritt 3: Die Steine müssen runter! Kaum fangen wir damit an, gerät das lose Material in Bewegung. Es rieselt hangabwärts. Einige Steine sind so groß und immens schwer, dass wir sie nur kontrolliert hangabwärts rollen lassen können, denn Heben und Tragen ist aussichtslos. Dabei halten wir wachsam nach evtl. vorhandenen Zauneidechsen in Winterstarre Ausschau, finden aber keine…nun….der Garten hat mehrere andere Zauneidechsenzonen zu bieten und wahrscheinlich sind sie dort.
Schritt 4: Sortieren…die größten Steine müssen nach unten. Alles andere hat sich schließlich in den letzen 10 Jahren nicht bewährt…Ausgehend von einer ersten Lage richtig großer Brocken am Fuß des ehemaligen Steinhügels starten wir mit dem Neubau. Aber wie baut man aus einer Sammlung unbehauener Steine in allen erdenklichen Größen und Formen eine Trockenmauer? Mit viel Fantasie und Kreativität und nicht nach Lehrbuch! Das bedeutet in unserem Fall dass so etwas wie eine Sammlung kleiner Rundmäuerchen entsteht.
Schritt 5: Mäuerchen hinterfüttern…nur womit? Da wir alles, was wir in den Garten holen, über viele Treppen mit Eimern tragen müssen, haben wir gelernt so viel wie möglich mit dem zu arbeiten, was schon da ist. In diesem Fall bedeutet das, dass wir den Bauschutt verbauen, anstatt Tragschotter oder ähnliches zu holen. Bauschutt alleine erweist sich jedoch als zu bröselig und lässt sich nicht stabil verdichten. Deswegen schleppen wir zusätzlich dann doch noch eine Tonne Felsenkies mit Nullanteil, Eimer für Eimer in unseren Hang und erzielen damit eine stabile Hinterfütterung unserer Mauern. Das Tolle an Felsenkies ist, dass er auch gleich als mageres Substrat für die Neubepflanzung dient.
Schritt 6. Gleichzeitig zum Abbau des alten Steinhaufens, wachsen unsere neuen „Mäuerchen“ in die Höhe. Alle sind in einem leichten Winkel zum Hang geneigt. Im Gegensatz zum alten Steinhaufen, wird schnell klar, dass unser Neubau größer wird. Die vorhandenen Steine reichen bei weitem nicht aus…Zum Glück können wir uns bei den Bruchsteinen einer abgerissenen Villa in der Nähe bedienen und einen kompletten Anhänger weiterer Steine in unseren Hang schleppen. Durch unser Bauprinzip mit kleinen Mäuerchen entstehen nach und nach mehrere Terrassen in die nachher Stauden einziehen werden. Im Vergleich zum alten Steinhaufen, entsteht jetzt viel mehr Lebensraum…sowohl für Pflanzen als auch für Tiere.
Schritt 7: Wir sind oben an der Terrasse angekommen. Nun lassen wir von oben noch etliche Eimer Felsenkies auf unser Werk herabrieseln und spülen ihn mit etlichen Gießkannen Wasser in die Ritzen, so dass sich unser Bauwerk auch im oberen Bereich stabilisiert.
Schritt 8: Bepflanzung: Zugegeben…eigentlich bepflanzt man Trockenmauern während man sie baut, nicht erst am Ende. Da es sich bei uns aber nicht um Trockenmauern nach Lehrbuch handelt, sondern um irgendein Zwischending zwischen Trockenmauer und Steinhaufen und wir während des Baues ständig auf dem bisher Gebauten rumhampeln, um die nächste Etage anzusetzen, gehe ich hier anders vor und setze die Pflanzen erst am Ende der Bauphase. Die Ritzen zwischen den Steinen sind nur was für die ganz „Hartgesottenen“ unter den Pflanzen: Sedum und Sempervivum. Ich lasse zunächst Felsenkies als Substrat in die Pflanznische rieseln und drücke dann die Pflänzchen vorsichtig hinein. Dabei staune ich wie viele Pflanzen ich tatsächlich aus dem alten Steinhaufen evakuiert habe….es scheint kein Ende zu nehmen. An den Rändern der Pflanzterrassen finden vorher evakuiertes Steinkraut, Polsterglockenblume und Blaukissen ein neues Zuhause. Unten, mit lehmigem Substrat im Untergrund, ziehen mazedonische Witwenblumen und Prupurleinkraut ein und es ist sogar noch Platz für einen Blasenstrauch, eine Wildrose und einen schwarzen Geißklee. Den Felsenkies der höhreren Terrassen besiedeln Teppich-Ehrenpreis, Steppenwolfsmilch, Königskerzen und Wollziest. Sie werden in einigen Wochen noch durch weitere Stauden ergänzt, die es mager, sonnig und trocken mögen. Rundblättrige Glockenblumen, Feldmannstreu, Kartäuser Nelke und weitere…. Sie befinden sich gerade noch in der Anzucht in unserem Bad:-) Sobald sie eingezogen sind und blühen, stelle ich Fotos online:-)
Schritt 9: Freuen, stolz sein dass es geschafft ist, sich ausgiebig loben und Wunden lecken. Mann: ISG -Schmerz beidseits, ich: Ein dickes linkes Sprunggelenk. Peronäus Tendinopathie sagt mein netter Orthopäde dazu: Wird wieder!:-). Jetzt erstmal Ruhe und Warten auf die Abnahme des Bauwerks durch den Zauneidechsen- TÜV.