Frostschutz und Weißbauchkatzen

Pfotenabdrücke © Pixabay
Pfotenabdrücke © Pixabay

Der weiße Bauch war zum Glück nur temporär. Inzwischen hat unsere Waldkatze Leni wieder ihr cremefarbenes Tigerfell zurück, der regennassen Wiesen, durch die sie streift, sei Dank! Wie es dazu kam? Das erzähle ich dir später…

Zunächst mal zum Titel…Was hat das mit Frostschutz zu tun? Nun, während Leni durch ihr sehr (sehr!) dickes Waldkatzenwinterfell gegen jede Frosteinwirkung erhaben ist, können die hochstämmigen Bäume in meinem Südhang ihre Stammrinde nicht gut gegen Frosteinwirkung schützen. Ein Hochstamm ist nämlich nicht unbedingt das, was die Natur für Bäume vorsieht…ließe man sie einfach mal machen, hätten die meisten Bäume jede Menge Äste auch unten am Stamm oder aber der Stamm wäre durch Büsche, Sträucher und Baumnachwuchs nicht so exponiert und freigestellt wie häufig in unseren Gärten oder auf Streuobstwiesen. Ein exponierter Stamm wird für Bäume aber dann zum Problem, wenn er starken Temperaturgegensätzen ausgesetzt ist. Diese Situation tritt vor allem in der zweiten Winterhälfte auf, wenn tagsüber wieder häufiger und intensiver die Sonne scheint und es nachts aber immer noch knackige Fröste gibt. Diese starken Temperaturgegensätze führen zu Spannungen, die die Elastizität der Baumrinde überfordern. In Folge dessen platzen die Stämme an der „Sonnenseite“ auf, denn dort dehnt sich die Rinde durch Aufheizung aus. Frostrisse nennt man dieses Phänomen. Es können tiefe, große Wunden entstehen, die der Baum nur noch schwer heilen (überwallen) kann und die ihn dann in Folge schwächen und schlimmstenfalls seine Lebenserwartung senken. Denn große Wunden bieten leider perfekte Bedingungen für allerlei Pilze und Krankheitserreger und können so für Bäume zu einem dauerhaften Infektionsherd werden. Deshalb müssen wir versuchen unseren Bäumen so zu helfen, dass die Stämme gar nicht erst aufplatzen.

Wie geht das? Möglichkeit 1 wäre die Nachahmung der Waldkatzentaktik. Wir wickeln die Stämme mit Jutegewebe ein und schützen sie durch dieses Wintermäntelchen vor starken Temperaturgegensätzen. Möglichkeit 2 finde ich allerdings viel eleganter: Wir streichen die Stämme mit einer eigens dafür entwickelten Kalkfarbe weiß. Dadurch reflektieren sie das Sonnenlicht und können sich gar nicht so stark aufheizen, dass die Rinde reißt. Diese Farbe ist für die Rinde absolut unbedenklich und sie wäscht sich im Laufe der Zeit mit den Regengüssen wieder ab. 

Ein Kalkanstrich schützt Baumstämme vor Frostrissen © Anke Leins
Ein Kalkanstrich schützt Baumstämme vor Frostrissen © Anke Leins

Nicht alle Bäume sind gleich stark gefährdet. Unbedingt schützen müssen wir alle Obstbäume, auch Wildobst, wie zum Beispiel weidenblättrige Birnen! Bei mir im Garten hat sich gezeigt, dass auch Ölweiden sehr zum Aufplatzen neigen, daher bekommen auch sie einen schützenden Weißanstrich. Wenn du dir unsicher bist welche Bäume du außer deinen Obstbäumen schützen musst, einfach sicherheitshalber weiß streichen! 

Erste Hilfe © Pixabay

Wenn es doch passiert…

Was kannst du tun, wenn es doch passiert ist und du einen Baum mit aufgeplatzter Rinde hast? Jetzt braucht der Baum deine Hilfe: Aus feuchtem Lehm und Schachtelhalmextrakt kannst du ein natürliches, antibakterielles Wundmittel herstellen und dick in bzw. über die Wunde schmieren. Um es vor Abwaschung durch Regen zu schützen, wickelst du an dieser Stelle dünnes Jutegewebe um den Stamm, sozusagen als Verband. Ich habe es mit Lehmputz an einer sehr stark betroffenen Ölweide getestet und den Verband ganze zwei Jahre drangelassen: Alle Wunden sind inzwischen verheilt!

Will man Stämme weiß kalken, braucht es trockenes, frostfreies Wetter, denn sonst wird die Farbe schneller wieder abgewaschen als sie trocken kann. Also wartete ich auf eine Lücke im Dauerregen und vertraute dabei auf meine Wetter-App. Das trockene Zeitfenster war alsbald ausgemacht, das Kreidepulver längst mit Wasser verrührt und streichbereit…nur der Regen hielt sich nicht an die Vorhersage. Ganz schön dreist von ihm! So wartete ich dann den halben Tag auf Regenstopp, trank eine Tasse Tee nach der anderen, bis es tatsächlich so aussah, als könnte es trocken sein und bleiben. Also schnell rein in die Gartenklamotten, Handschuhe und Gummistiefel an. Kurz überlegte ich noch, ob nicht auch die Gartencrocs reichen, da mein rechter Fuß gerade erst eine frische Sprunggelenks-Operation hinter sich gebracht hat und noch nicht so recht wieder in Schuhe passen will. Aus irgendeiner weisen Vorahnung heraus entschied ich mich doch für das Hineinzwängen in die Gummistiefel.

Endlich draußen, nahm ich mir zuerst die Ölweiden vor. Mein Ausflug blieb unterdessen nicht unbemerkt. Waldkatze Leni hatte nämlich inzwischen ausgeschlafen, ihren Posten vorm Ofen verlassen und war mir klammheimlich in den Garten gefolgt. Sie musste mich schon eine Weile fasziniert beobachtet und dabei einen Plan gefasst haben, denn, kaum hatte ich den ersten Ölweidenstamm fast fertig geweißelt und pinselte nur noch recht weit oben, im Bereich der ersten Kronenäste herum, da sauste Leni wie ein Pfeil mit purem Wahnsinn im Blick, leise glucksend und mit buschigstem aller Schwänze eben diesen Stamm hinauf, dabei den Pinsel, das Objekt ihrer Begierde, fest im Blick. Es war von Anfang an ein ungleicher Kampf: Der Pinsel hatte nicht die geringste Chance gegen den Willen, die Geschicklichkeit und die Schnelligkeit einer jungen Waldkatze. 

Du ahnst es schon…Lenis fluffiges Winterkleid entpuppte sich als super Leinwand oder Schwamm für Kalkfarbe: Bauch, Arme, Beine, Tatzen…alles schneeweiß…der Baumstamm dagegen wieder eher grau. 

Ich ließ alles stehen und liegen, pflückte Leni aus der Baumkrone, klemmte sie mir unter den Arm und nahm zielstrebig Kurs auf die Vogeltränke am Boden. Es folgte der Versuch eine ungestüme Waldkatzendame zu waschen, obwohl diese es nicht für die beste Idee ihrer Katzenmama hält. In kürzester Zeit hatte sie sich empört und aalgleich aus meinem Klammergriff gewunden und war blitzschnell im Dickicht der an meinen Garten grenzenden Wildnis entschwunden. Ich schaute ihr mit einer Mischung aus Belustigung, Faszination und Resignation hinterher.

So. Kurz geschüttelt und weiter ging es. Zunächst noch einmal mit Ölweide Nr. 1. Dann widmete ich mich erstmal meinen Säulenbirnen. Da diese inzwischen gute 4 Meter hoch in den Himmel ragen, kletterte ich irgendwann auf den Stein eines kleinen Mäuerchens, um höhergelegene Stammpartien zu erreichen. Den Farbeimer ließ ich am Boden stehen. Mit einem Fuß auf dem Stein balancierend, mit dem zweiten Bein in der Luft das Gleichgewicht haltend, den Arm maximal gestreckt, den vollen Pinsel am Stamm ansetzend, brach der Trittstein unter meinem Gewicht weg. Er war leider doch nicht so fest in der Erde verankert wie ich vermutet hatte. Naja, ich bin ehrlich. Ich hatte eigentlich nicht viel vermutet und mal wieder gar nix dabei gedacht! Des Steines beraubt, landete ich unsanft unter der Birne, mit einem Stiefel im Farbeimer, der daraufhin umfiel und sich großzügig über die Felsenkiesstufen in meinem Hang entleerte. 

Bilanz bis hierhin: Weiße Katze, weiße Treppenstufen, ein weißer Gummistiefel, weiß bespritzte Gartenklamotten…relativ wenig weiß gestrichene Baumstämme. Aber wenigstens hatte ich nicht die Crocs an!

Mit Hilfe sehr vieler Gießkannen erlangte der Felsenkies wieder seine Ursprungsfarbe, mein Stiefel auch. Leider fand sich jetzt im Farbeimer nur noch ein kläglicher Rest Kalkfarbe, der zum Glück aber so konzentriert war, dass er nach erneuter Verdünnung gerade noch so für einen ersten Anstrich einer frisch gepflanzten weidenblättrigen Birne, zweier Apfelhochstämmen im Streuobstwiesenbereich, zweier Süßmandeln und sicherheitshalber auch noch für einen frisch gepflanzten Hochstammhibiskus reichte. 

Puh! Das ist ja alles nochmal gut gegangen! Während im Anschluss Hose und Jacke einsame Runden in der Waschmaschine drehten, begann es dann aber doch tatsächlich entgegen jeder Wettervorhersage wieder zu regnen. Und nicht nur zu nieseln! Natürlich war die Kalkfarbe noch nicht so trocken, dass nicht die Hälfte jetzt wieder abgewaschen wurde.  Tja. Für den ohnehin unvermeidlichen zweiten Streichanlauf suche ich mir wohl besser erstens einen wirklich trockenen Tag aus und zweitens die Zeit, in der beide Katzen tief und fest schlafen!

Ein Gutes hatte der Regen aber dann doch: Alle Sorge, dass Leni sich verätzen könnte, weil sie sich versucht die Kalkfarbe vom Fell zu lecken, erwies sich als unbegründet. Als Leni nach ihren Streifzügen durch die nassen Wiesen schließlich wieder zum Abendbrot eintrudelte, war fast alle Farbe verschwunden. Und das letzte Bisschen ließ sich dann mit nassem Frotteehandtuch problemlos abrubbeln.

Und die Moral von der Geschicht: Verlier` niemals den Humor beim Gärtnern…nicht!


Bezugsquelle © Pixabay

Ich verwende zum Stämme weißeln den Weißanstrich der Firma Schacht. Ihn gibt es gebrauchsfertig flüssig, oder als Pulver zum Anrühren.


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