Frühlingsrasur

Es ist soweit….endlich! Kraniche fliegen über meinen Zukunftsgarten, kleine, pelzige Plüschbrummer steuern die ersten bunten Frühblüher in der Wildblumenwiese an und die vorwitzigen und ungeduldigen unter meinen Stauden treiben bereits Blätter. Damit ist es höchste Zeit für einen ersten Muskeleinsatz in meinem Garten. Es geht um die notwendige Frühjahrspflege von sogenannten „Staudenmischpflanzungen“. Das ist ein ziemlich sperriges Wort. Dahinter verbergen sich naturnahe Pflanzungen aus Stauden, Gräsern und Zwiebelpflanzen, die so zusammengestellt sind, dass immer irgendetwas blüht. Und zwar vom frühen Frühling bis hinein in den späten Herbst. Diese Flächen besiedeln sowohl Teile meines Südhanges, als auch schattige und halbschattige Bereiche auf meiner unteren Hangterrasse. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie, von der jetzt fälligen Frühjahrspflege einmal abgesehen, das übrige Jahr hinweg weitgehend von mir in Ruhe gelassen werden. Allenfalls auffällige unerwünschte Unkräuter werden in der Wachstumssaison entfernt und hier und da wird mal ein Staudengigant angebunden oder abgestützt, damit er sich nicht zu sehr hangabwärts neigt. Diese Flächen sind Insektenmagneten, sowohl für die Futtersuche, als auch zum Schlafen, Ruhen und Nisten. Während meine Wildblumenwiese im Spätsommer ein letztes Mal gemäht wird, bleiben meine Staudenmischpflanzungen bis zum Frühling stehen und sind wichtiges Überwinterungsquartier. Dazu, wie man solche Flächen anlegt, stelle ich euch bei Zeiten mal einen ausführlichen Artikel rein, denn man kann Staudenmischpflanzungen an allen Standorten realisieren.  Allen diesen Flächen gemeinsam ist, dass sie aus einer Reihe von Struktur gebenden, mehrjährigen Stauden, Gräsern und teilweise auch Halbsträuchern wie beispielsweise Blaurauten bestehen. Zusätzlich zu diesen „Gerüstbildnern“ wachsen in diesen Flächen viele ein- und zweijährige einheimische Wildpflanzen, die um die dauerhaften Stauden herumvagabundieren. Sie bringen Dynamik in die Pflanzengesellschaft, indem sie sich reichlich versamen und zusammen mit den Ablegern der Gerüstbildner dafür sorgen, dass die Flächen jedes Jahr ein bisschen anders aussehen.

So sehen meine Staudenmischpflanzungen nach dem Winter aus:

Warum muss man Staudenmischpflanzungen jetzt mähen? Ein Garten, auch ein naturnaher, ist immer eine künstlich aufrecht erhaltene Welt. Wir möchten in der Regel an einem Standort keine natürlich ablaufende Folge verschiedener Pflanzengesellschaften haben, sondern versuchen eine einmal angelegte Staudenfläche auch als solche zu erhalten. Wir möchten, dass der Neuaustrieb der Stauden Raum zur Entfaltung hat und sich die neuen Keimlinge derjenigen Pflanzen, die sich jährlich versamen, gut entwickeln können. Ähnlich wie beim Mähen unserer Wildblumenwiese möchten wir durch das Mähen und Abräumen des abgestorbenen Pflanzenmaterials auch verhindern, dass der Boden zu nährstoffreich wird und nach und nach Wildpflanzen verdrängt werden, die es eher mager mögen.

Wie schaffe ich es nun kräfteschonend das Dickicht aus oft seht standfesten Stängeln und Gräsern zurückzuschneiden? Es kommt wie immer auf das richtige Werkzeug an! Bei Gräsern hat sich eine Spezielle Staudensichel (1) mit geriffelter Klinge bewährt. Ich packe das Gras am Schopf, führe die Klinge von hinten nach vorne reißend durch und ab ist das Grasbüschel. Bei besonders üppigen Gräserhorsten muss man das Ganze in mehreren Etappen schneiden, sozusagen Büschel für Büschel. Im Vergleich zur Plackerei mit einer Gartenschere geht das ratz fatz und praktisch ohne Kraftaufwand. 

Die Staudensichel- ein geniales Werkzeug

Für die restliche Fläche benutze ich fast ausschließlich meine Heckenschere. Damit lassen sich sowohl weiche, als auch holzige Stauden und auch aufrechte Gräser erfolgreich und schnell bodennah abschneiden. Der einzige Nachteil des Arbeitens mit der Heckenschere ist, dass man dabei in die Knie gehen muss. Beinmuskelkater ist also garantiert. Einige wenige Stauden, die sich beispielsweise umgelegt haben und dadurch unter der Heckenschere wegducken, schneide ich noch einmal mit einer scharfen Gartenschere nach. Anschließend reche ich das Schnittgut mit einem weit gestellten Laubrechen locker von der Fläche ab.

Idealer Weise erfolgt der Schnitt bevor sich Zwiebelpflanzen aus der Erde schieben. Da dieses Jahr der Winter sehr mild war, ragen ihre Köpfe bei mir im Garten bereits vorwitzig heraus. Deshalb musste ich beim Schneiden der Stauden sehr vorsichtig durch die Beete und den Hang stapfen und auch beim Abrechen darauf achten den Neuaustrieb nicht zu verletzen.

Übrig bleibt ein recht großer Haufen Schnittgut. Wohin damit? Im Dickicht der Stängel verstecken sich auch jetzt noch überwinternde Insekten, die die Aktion natürlich unbeschadet überstehen sollen. Im letzten Jahr habe ich mit dem Schnittgut eine Totholzhecke (2) gefüttert und jetzt, da sie zur Zeit kein weiteres Material schlucken kann, in einer wilden, recht gut versteckten Ecke mit den Stängeln einen lockeren Haufen aufgeschichtet. Dort stört das Schnittgut niemanden und es freuen sich allerlei Tiere über Versteckmöglichkeiten und fressbare Samen.

So sehen die Flächen nach der Mähaktion aus: Reichlich kahl und ein bisschen traurig:

Einige Stauden, zum Beispiel Katzenminzen, sehen jetzt tatsächlich noch wie tot aus. Andere, beispielsweise Akeleien, Flockenblumen oder hohe Fetthennen, sind aber schon längst mit ihrem Neuaustrieb beschäftigt.

Bevor ich die Flächen jetzt wieder in Ruhe lasse, unterziehe ich sie noch einmal einem genauen, prüfenden Blick. Jetzt, so kahl, kann man gut erkennen, wo letztes Jahr bereits unerwünschte Pflanzen gekeimt sind. Solche „Beikräuter“ wie Löwenzahn, Ackerkratzdistel, kriechenden Hahnenfuß oder Kompasslattich steche ich jetzt aus, bevor sie größer werden und zwischen den gewollten Pflanzen nur noch schwer zu entfernen sind. Auch Sämlinge umliegender Bäume entferne ich jetzt.

Nach der Frühjahrsrasur ist vor dem Blühfeuerwerk! Am liebsten vergleiche ich meine Staudenmischpflanzungen nach ihrem Schnitt mit einer leeren Leinwand, die sich sehr bald schon wieder mit Farbe und Formen füllt und uns den kahlen Start vergessen lässt. Und es ist jedes Jahr aufs Neue spannend, was für ein Gemälde entstehen wird. Von den verschiedenen Entwicklungsstadien dieser Flächen werden ich während der Vegetationsperiode wiederholt Fotos einstellen, damit ihr eine Vorstellung von der wunderbaren Dynamik solcher Pflanzengemeinschaften bekommt. Jetzt heißt es aber erst einmal Muskelkater abklingen lassen und ganz in Vorfreude auf den Frühling schwelgen. 


Anmerkungen:

(1) Meine Lieblingsstaudensichel: https://www.gartenbedarf-versand.de/gartengeraete-aufraeumen/stauden-abschneiden/staudensichel/bzk01/

(2) Eine Totholzhecke nennt man auch Benjeshecke. Warum so etwas eine tolle Sache ist, wie meine Version aussieht und wie man so etwas im eigenen Garten baut, erkläre ich euch bei Zeiten in einem eigenen Blockartikel. Fürs erste habe ich euch hier einen Beitrag des Nabu verlinkt: https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/balkon-und-garten/grundlagen/elemente/25136.html

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